| | Saladin: |
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| Tritt näher, Jude! Näher! Nur ganz her! |
| Nur ohne Furcht! |
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| | Nathan: Die bleibe deinem Feinde! |
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| | Saladin: |
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| Du nennst dich Nathan? |
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| | Nathan: Ja. |
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| | Saladin: Den weisen Nathan? |
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| | Nathan: |
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| Nein. |
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| | Saladin: Wohl! nennst du dich nicht; nennt dich das Volk. |
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| | Nathan: |
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| Kann sein; das Volk! |
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| | Saladin: Du glaubst doch nicht, daß ich |
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| Verächtlich von des Volkes Stimme denke? |
| Ich habe längst gewünscht, den Mann zu kennen, |
| Den es den Weisen nennt. |
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| | Nathan: Und wenn es ihn |
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| Zum Spott so nennte? Wenn dem Volke weise |
| Nichts weiter wär' als klug? und klug nur der, |
| Der sich auf seinen Vorteil gut versteht? |
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| | Saladin: |
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| Auf seinen wahren Vorteil, meinst du doch? |
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| | Nathan: |
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| Dann freilich wär' der Eigennützigste |
| Der Klügste. Dann wär' freilich klug und weise |
| Nur eins. |
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| | Saladin: Ich höre dich erweisen, was |
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| Du widersprechen willst. Des Menschen wahre |
| Vorteile, die das Volk nicht kennt, kennst du. |
| Hast du zu kennen wenigstens gesucht; |
| Hast drüber nachgedacht: das auch allein |
| Macht schon den Weisen. |
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| | Nathan: Der sich jeder dünkt |
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| Zu sein. |
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| | Saladin: Nun der Bescheidenheit genug! |
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| Denn sie nur immerdar zu hören, wo |
| Man trockene Vernunft erwartet, ekelt. |
| (Er springt auf.) |
| | Laß uns zur Sache kommen! Aber, aber |
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| Aufrichtig, Jud', aufrichtig! |
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| | Nathan: Sultan, ich |
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| Will sicherlich dich so bedienen, daß |
| Ich deiner fernern Kundschaft würdig bleibe. |
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| | Saladin: Bedienen? wie? |
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| | Nathan: Du sollst das Beste haben |
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| Von allem; sollst es um den billigsten |
| Preis haben. |
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| | Saladin: Wovon sprichst du? doch wohl nicht |
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| Von deinen Waren? Schachern wird mit dir |
| Schon meine Schwester. (Das der Horcherin!) |
| Ich habe mit dem Kaufmann nichts zu tun. |
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| | Nathan: |
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| So wirst du ohne Zweifel wissen wollen, |
| Was ich auf meinem Wege von dem Feinde, |
| Der allerdings sich wieder reget, etwa |
| Bemerkt, getroffen? Wenn ich unverhohlen ... |
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| | Saladin: |
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| Auch darauf bin ich eben nicht mit dir |
| Gesteuert. Davon weiß ich schon, so viel |
| Ich nötig habe. Kurz-, |
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| | Nathan: Gebiete, Sultan. |
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| | Saladin: |
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| Ich heische deinen Unterricht in ganz |
| Was anderm; ganz was anderm. Da du nun |
| So weise bist: so sage mir doch einmal |
| Was für ein Glaube, was für ein Gesetz |
| Hat dir am meisten eingeleuchtet? |
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| | Nathan: Sultan, |
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| Ich bin ein Jud'. |
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| | Saladin: Und ich ein Muselmann. |
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| Der Christ ist zwischen uns. Von diesen drei |
| Religionen kann doch eine nur |
| Die wahre sein. Ein Mann, wie du, bleibt da |
| Nicht stehen, wo der Zufall der Geburt |
| Ihn hingeworfen: oder wenn er bleibt, |
| Bleibt er aus Einsicht, Gründen, Wahl des Bessern. |
| Wohlan! so teile deine Einsicht mir |
| Dann mit. Laß mich die Gründe hören, denen |
| Ich selber nachzugrübeln, nicht die Zeit |
| Gehabt. Laß mich die Wahl, die diese Gründe |
| Bestimmt, versteht sich, im Vertrauen wissen, |
| Damit ich sie zu meiner mache. Wie? |
| Du stutzest? wägst mich mit dem Auge? Kann |
| Wohl sein, daß ich der erste Sultan bin, |
| Der eine solche Grille hat; die mich |
| Doch eines Sultans eben nicht so ganz |
| Unwürdig dünkt. Nicht wahr? So rede doch! |
| Sprich! Oder willst du einen Augenblick, |
| Dich zu bedenken? Gut, ich geb ihn dir. |
| (Ob sie wohl horcht? Ich will sie doch belauschen; |
| Will hören, ob ich's recht gemacht. ) Denk nach. |
| Geschwind denk nach! Ich säume nicht, zurück- |
| Zukommen. |
| (Er geht in das Nebenzimmer, nach welchem sich Sittah begeben.) |