Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das zu analysierende Gedicht, „Letzte Wache“ stammt von Georg Heym und wurde im Jahre 1911 veröffentlicht und lässt sich der Epoche des Expressionismus zuordnen. Es thematisiert das Ableben einer Person, die schon seit einer geraumen Zeit bettlägerig war. Das lyrische Ich hält die „letzte Wache“ vor dem Totenbett des Sterbenden.
Betrachten wir zunächst den inhaltlichen Aufbau des Gedichts. Das Gedicht ist in vier Strophen unterteilt und beinhaltet insgesamt 16 Verse. Das Reimschema scheint zunächst unregelmäßig, jedoch wird bei Betrachtung deutlich, dass sich immer der zweite und der vierte Vers in einer jeden Strophe reimen. Das Metrum1 ist unregelmäßig.
Betrachten wir zunächst die einzelnen Strophen genauer.
Die erste Strophe besteht aus einer Frage, was zur Folge hat, dass sich der Leser direkt angesprochen fühlt. Das Wort „deine“ vermittelt dem Leser zunächst das Gefühl, das lyrische Ich würde versuchen mit ihm zu kommunizieren, die vierte Wand zu durchbreche, so fragt das lyrische Ich, ob die Person „schon weit von dannen“ (V. 3), d. h. in weiter Entfernung, beziehungsweise in einer anderen Welt wäre. Diese zunächst scheinbar direkte Ansprache an den Leser erweckt zunächst erstmal seine Aufmerksamkeit, jedoch wird dadurch auch deutlich, dass diese Person auch der Leser selbst sein könnte. Dieser Effekt wird zudem noch von der Tatsache gestärkt, dass nicht ersichtlich ist, ob die sterbende Person männlich oder weiblich ist.
In der Strophe findet, in einer Frage getarnt, eine Beschreibung der sterbenden Person statt. So werden die Schläfen der Person als „dunkel“ (V. 1) und die Hände als „schwer“ (V. 2) beschrieben. Die Personenbeschreibung wird in der zweiten Strophe fortgesetzt. Hier wird die Person als „traurig“ (V. 6) und „alt“ (V. 6), ihre Lippen als „grausam“ (V. 7) und „in ewiger Starre gekrallt“ (V. 8) dargestellt.
In der zweiten Strophe liegt auch der erste Hinweis auf die Umgebung und Szenerie getätigt. So wird das Licht in dem Raum als „flackend[…]“ beschrieben, was eine unheimliche, ja fast geisterhafte Stimmung erzeugt.
Die dritte Strophe liefert einen Ausblick auf den folgenden Tag. Es wird beschrieben, dass „[m]orgen schon [hier] das Schweigen“ (V. 9) ist, daraus lässt sich schließen, dass die Person spätestens morgen stirbt oder die Person, die die „letzte Wache“ hält, zumindest davon ausgeht. Im den folgenden Versen wird die morgige Situation näher beschrieben. Das lyrische Ich geht davon aus, dass es am morgigen Tag im Zimmer nach Verwesung und dem Duft von Totenkränzen riecht. Die Beschreibung des „verwesenden Duft[s]“ (V. 12), wirkt gegensätzlich, da ein Duft ja meist einen feinen, angenehmen Geruch beschreibt.
In der vierten Strophe beschreibt die Person die nächsten Jahre, die sie ohne die nun tote Person verleben muss. Das lyrische Ich beschreibt diese als leer, es wirkt als würde verlöre das lyrische Ich mit dem Verlust der Person auch ein Stück weit einen Sinn in seinem eigenen Leben. Außerdem wird in der vierten Strophe deutlich, dass die scheidende Person bereits seit längerer Zeit krank gewesen sein muss (vgl. Z. 14f.).
Die Wortwahl des Gedichtes ist sehr düster. Diese düstere Stimmung wird vor allem durch Wörter wie „dunkel“ (V. 1) und „schwer“ (V. 2) verursacht. Das lyrische Ich wirkt bedrückt, fühlt sich einsam und traurig.
Abschließend lässt sich sagen, dass das Gedicht eine „letzte Wache“ beschreibt, bei dem das lyrische Ich Abschied von einer geliebten Person, die schon seit einer geraumen Zeit bettlägerig war. Durch die Verwendung spezifischer Wörter wird eine traurige, bedrückende Stimmung transportiert. Außerdem wird unterbewusst, durch eine Frage, dargestellt, dass das Sterben jedermann betrifft.