Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das expressionistische Gedicht „Frühjahr“ – erschienen 1911 von Georg Heym – thematisiert eine schlechte Zeit, die durch Umbruch geprägt ist.
Das Gedicht besteht aus fünf Strophen mit jeweils vier Versen. Ein regelmäßiges Reimschema ist nicht identifizierbar, jedoch sind der fünfhebige Jambus sowie die klingenden Kadenzen1 regelmäßig.
Alle Strophen konzentrieren sich auf eine detaillierte Beschreibung der Umgebung. Hierbei wird ein bedrohlicher Sturm mit dessen Auswirkungen thematisiert. Die Landschaft wird mit all ihrer Vielfältigkeit genau beschrieben. Die erste Strophe beschreibt die negative Sicht eines Frühlingsabends, wobei diese negative Sicht in den folgenden Strophen weiter ausgeführt wird, wie durch einen schlechten Ertrag der Erne, dann die negative Sicht auf den Rest der Natur und der Jahreszeit und letztendlich die negative Zukunftsperspektive.
Schon zu Beginn stechen die vielen negativ konnotierten Wörter wie „schwarz[en]“ (V. 1), „tot[en]“ (V. 8), „traurig“ (V. 13) und die Verwendung von vielen sprachlichen Bildern wie „schwarze® Abend“ (V. 1), die ebenfalls negative Assoziationen hervorrufen, hervor. Heym benutzt auffällig viele Adjektive, die überwiegend negativ besetzt sind im ganzen Gedicht, sodass eine sehr lebendige und gut vorstellbare Welt beim Leser geschaffen wird. Durch die überwiegend negativ konnotierten Adjektive ist die Atmosphäre trist und traurig. Durch die vielen Personifikationen2, die gehäuft in der ersten Strophe eingesetzt werden, nimmt die hier vermenschlichte Natur eine sehr große und bedeutende Präsenz ein, die stark in ihrer Bedrohlichkeit hervorsticht, welche besonders durch die Personifikation der rollenden Wolken (vgl. V. 4) oder der zitternden Wege (vgl. V. 2) zum Ausdruck gebracht wird. Somit wird direkt zu Beginn des Gedichtes klar, dass jener Sturm sehr präsent ist und eine Bedrohung für die Menschheit darstellt.
Die zweite Strophe schildert zwar eine andere Situation, die aber auch durch die omnipräsente Rolle des Sturms geprägt ist, auch wenn er noch „ewig in der Weite“ (V. 5) ist und somit ein böses Vorzeichen symbolisiert. Das Paradoxon3 „schwer den Samen streuet“ (V. 7) verdeutlicht die Angst und Vorsicht der Sämänner, die nur „spärlich“ (V. 6) aufzufinden sind. Somit trauen sich nur Vereinzelte auf das offene Feld, da letztendlich die Angst vor dem Sturm überwiegt. Dabei gehen sie weniger leidenschaftlich und durch eine schwer bedrückende Stimmung geprägt vor. „Das ferne Land“ (V. 7) steht hierbei für die erfolgte Entfremdung und zum anderen solles zum Ausdruck bringen, dass der Sturm zwar „ewig“ und „in der Weite“ ist und das Land noch entfernt, der Sturm aber doch präsent ist. Durch das schwere Streuen (vgl. V. 7) wird klar, dass auch die Sämänner eine böse Vorahnung bezüglich des Sturmes haben. Dies wird durch die „toten Sommern“ (V. 8) noch weiter hervorgehoben, weil die Erträge auf der Strecke bleiben und somit die Existenzgrundlage der Bauern gefährdet ist. Jene triste und existenzbedrohende Stimmung wird durch die Alliteration4 „keine Frucht […] freuet“ (V. 8) betont, wobei der Ausdruck „keine“ die Omnipräsenz der toten Landschaft hervorhebt. Besonders auffällig ist der anaphorische Gebrauch, der die allgegenwärtige Rolle des Unwetters ebenfalls verdeutlicht, da die meisten Verse gleich anfangen, aber immer neue Gegenstände eingeführt werden, die die Natur beschreiben, und die Strophen somit sehr parallelistisch aufgebaut sind, sodass ein gleichzeitiges Auftreten des Unwetters auf der ganzen Welt verdeutlicht wird. Sogar die Wälder, welche für dichtes Buschwerk und starke Baumstämme stehen, müssen zerbrechen (vgl. V. 9). Obwohl die Wälder personifiziert werden (V. 9) und somit mächtiger wirken, sind sie dem Sturm schutzlos ausgeliefert und machtlos. Die Zerstörung der Wälder ergibt sich als logische Schlussfolgerung der Härte des Sturms. Diese Zwangsläufigkeit, die ohne Zweifel verläuft, wird stark durch das Verb „müssen“ (V. 9) unterstrichen. Im zwölften Vers wird die Natur nochmals personifizert, in dem das Blut nicht mehr steige. Hierbei steht der Stillstand des Blutes für den Tod. Die triste Stimmung wir dmit der Aussage und Personifikation „[d]er März ist traurig“ (V. 13) explizit angesprochen. Die schwankenden Tage (vgl. V. 13) deuten das Sturmhafte an. Die Antithese5 „[v]oll Licht und Dunkel“ (V. 14) steht für die starken Lichtverhältnisse und Turbulenzen des Unwetters. Im Kontrast dazu steht die „stumme[n] Erde“ (ebd.), was schon außerordentlich ungewöhnlich ist in Anbetracht der vielen Einwohner, ob Mensch oder Tier, der Erde, sodass eine apokalyptische Atmosphäre entsteht. Selbst der Regenschild, welcher eine Schutzfunktion hat, kann gegen die Ströme und die Berge nicht ausrichten (vgl. V. 15 ff.). „[A]lles ist verhangen“ (V. 16) und somit hoffnungslos. Die Hoffnungslosigkeit und somit auch Hilfslosigkeit wird in der letzten Strophe besonders durch die Vögel unterstrichen. Selbst sie werden nicht mehr kommen (vgl. V. 17). Da Vögel für Freiheit und Hoffnung stehen und außerdem ein Instinkt für gut und schlecht haben, wird das aussichtslose Schicksal spätestens an diesem Punkt durch das Symbol klar. Die folgende Leere (vgl. V. 18) untermauert die Szenerie, die nun eine Verwüstung als Folge hat. Die großen Kähne treiben tote Schatten (vgl. V. 19 ff.), sodass die Welt verlassen und menschenleer wirkt. Durch die Antithese der grünen Hügel, welche für Leben stehen, und die toten Schatten (vgl. V. 20) wird die Vielfältigkeit und die ungeheure Größe des Sturmes, welche völlige Verwüstung und Tod als Folge hat, hervorgehoben. Der Neologismus6 wie gleichzeitige Alliteration „Sommerstille“ (V. 19) bietet einen starken Kontrast zum wütenden Sturm, was aber angesichts der bedrohenden Größe, welche schon beinahe mit einem Weltende gleichgesetzt werden kann, negativ konnotiert ist. Die folgende Sommerstille kann dementsprechend als Fazit mit bleibendem Eindruck aufgefasst werden, nachdem der Sturm apokalyptische Ausmaße angenommen hat.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass der Titel zwar positive Erwartungen weckt, aber eine schlechte Zeit dargestellt wird.
Durch epochenspezifische Merkmale wie eine negative Welt geprägt durch eine schlechte Zeit, die Farbsymbolik, sowie die Leblosigkeit lässt sich das Gedicht der Epoche des Expressionismus zu ordnen.
Heutzutage weckt der Titel zwar eher positiv besetzte Assoziationen, anders als der Inhalt des Gedichtes es zulässt, der das das Zeitgefühl und die Emotionen der expressionistischen Zeitgenossen wie Georg Heym widerspiegelt und ausdrückt.