Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Berlin II“ stammt von Georg Heym. Die Überschrift lässt vermuten, dass der Autor Berlin in verschiedenen Gedichten verschieden darstellt. Beim Lesen vermittelt es eine geschäftige Stimmung, die aber (vielleicht wegen Wörtern wie „Wogen“ und „Wellen“) nicht hektisch wirkt. Das Gedicht stellt am Anfang eine Beschreibung des Berliner Binnenhafens dar, später zeigt es auch die Wahrnehmungen des lyrischen Ichs.
Der äußeren Form nach ist das Gedicht ein Sonett, es gibt erst zwei Quartette und dann zwei Terzette. Bei den Quartetten gibt es umarmende Reime nach dem Schema abba cddc. Die Terzette sind mit Kreuzreimen nach dem Schema efe ghg aufgebaut. Diese gleichmäßige, geordnete äußere Form unterstützt auch mit Hilfe der grammatikalisch fast immer korrekten Sätze die nicht hektische, sondern geschäftige Stimmung des Gedichts.
In den ersten beiden Strophen wird das Geschehen am Hafen beschrieben, in den letzten beiden berichtet das lyrische Ich von seinen Wahrnehmungen.
In der ersten Strophe geht es um das Beladen der Frachtschiffe, die schmutzigen („beteerten“) Fässer werden auf die Schiffe gerollt. In Zeile 3 – 4 wird der Schmutz und Dreck beschrieben, das Wasser und die Luft sind verschmutzt. Auch die Metapher1 „des Rauches Mähne“ zeigt die verdreckte Luft: Der Rauch bleibt noch in der Luft hängen und ähnelt langen Haaren. Doch all das sind nur Feststellungen und die Beschreibung ist neutral, nicht wertend. In Vers 4 wird außerdem zum ersten Mal eines der beruhigenden, fließenden Wörter genannt, nämlich „Wellen“.
In der zweiten Strophe wird die Ankunft zweier Dampfer beschrieben. „Mit Musikkapellen“ bedeutet, dass die lauten Schiffshörner tuten. Das ist der erste Vergleich mit dem Bildfeld „Musik“. In Vers 11 gibt es den nächsten Vergleich: die Signale werden mit dem Musikinstrument „Trommel“ verglichen. Dieser Vergleich zeigt, dass es an so einem großen Hafen laut und geschäftig, aber dennoch so geordnet wie bei einer Komposition zugeht.
In den Zeilen 7 – 8 wird abermals von der Verschmutzung der Umwelt und außerdem von den Gerbereien in der Nähe des Hafens berichtet. Außerdem wird das Wort „Wogen“ genannt, was sie zuvor erzeugte Gleichmäßigkeit unterstützt.
Nun gibt es einen für Sonette2 typischen Einschnitt, die Zäsur3, denn das lyrische Ich spricht. Es berichtet in der ersten Peron Plural von seinen Wahrnehmungen. Es befindet sich auf einem Boot („drunter uns die Zille“). Mit der „Stille“ in Vers 11 ist wahrscheinlich der normale Geräuschpegel am Hafen gemeint: Wenn man dort länger ist, nimmt man die Geräusche nicht mehr wahr, sie werden nur noch von Signalhörnern unterbrochen.
In der letzten Strophe wird der Anfang der „Fahrt“ des lyrischen Ichs beschrieben: „Wir ließen los“ bedeutet entweder, dass das Boot ablegt oder das lyrische Ich das Boot loslässt. Letzteres ist wahrscheinlicher, da ein Boot nicht „treiben“, sondern fahren würde. Dann sieht das lyrische Ich Gärten und Leuchtfeuer. Durch die Wörter „langsam“, „trieben“ und „Idylle“ wird wiederum die gelassene Ruhe vermittelt, die mit der Entfernung zum Hafen deutlicher wird. Jetzt ist von einer Idylle und nicht mehr von Umweltverschmutzung die Rede. Das wirkt, obwohl alles nicht wertend ist, positiver als am Anfang des Gedichtes. Die Stimmung in diesem Sonett wird also zum Ende hin immer beruhigter und schöner.
Der erste Eindruck hat sich somit bestätigt, es sind nur noch einige Aspekte hinzugekommen: Der vergleich mit dem Bildfeld „Musik“, die „Fahrt“ des lyrischen Ichs und schließlich die gelassene Ruhe, wenn es Abend wird. Der Hauptgedanke des Textes ist also, dass das geordnete, aber geschäftige Treiben am berliner Hafen abends in einiger Entfernung wie eine schöne Idylle wirkt. Ich stimme diesem Hauptgedanken zu, weil ich diese Atmosphäre selbst schon an Häfen erlebt habe, obwohl ich das eher mit Hamburg als mit Berlin verbinden würde.