Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das zu analysierende Gedicht wurde 1811 von Clemens Brentano veröffentlicht und lässt sich der Epoche der Romantik zuzuordnen. Das Gedicht thematisiert die Unzufriedenheit einer Person, welches sich eingeengt und ausgeschlossen von der Liebe fühlt. Um diese Unzufriedenheit zu bekämpfen gibt er sich der Nacht und der Natur hin, welche ihm näher zu seiner Erfüllung bringt.
Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit zweimal vier und zweimal drei Versen. Dies läss schlussfolgern, dass es sich bei dem Gedicht um ein Sonett1 handelt. Es liegen zwei verschiedene Reimschemata vor. Die beiden ersten Strophen sind mit einem umarmenden Reim versehen, in den letzten beiden Strophen liegt ein Schweifreim vor.
Die ersten beiden Strophen beschreiben die Problematik, in welcher sich das lyrische Ich befindet. Die dritte und die vierte Strophe beschreiben die Lösung der eben beschriebenen Problematik. Bei der Beschreibung werden also die erste und zweite, sowie die dritte und vierte Strophe zusammengefasst.
Im ersten Teil des Gedichtet beschreibt das lyrische Ich, dass es „[u]nbeglückt […] durchs Leben [gehen muss]“ (V. 1), seine „Rechte […] nicht anerkannt“ (V. 2) sind und er keine Liebe findet (V. 3). Trotz diesen harschen Rückschlägen verzehrt er sich weiter nach dieser, was durch die Formulierung: „Muß ich […] stets ihr Schönstes sehen“( V. 4) verdeutlich wird.
Das lyrische Ich kann sein Verlangen nach Liebe und musischer Freiheit nicht ausleben, was durch die Formulierung „nicht die schwache Zunge darf’s gestehen“ (V. 5) deutlich wird. Dieses Verlangen wird in den folgenden Versen der zweiten Strophe weiter ausgeführt.
Widmen wir uns nun dem zweiten Teil. Hier beschreibt das lyrische Ich, dass es Trost in der Nacht und der Einsamkeit sucht (vgl. Z.9) und er dort seine innere Ruhe findet und sein Verlangen nach Liebe und Romantik stillen kann. In der darauffolgenden Strophe wird aufgezeigt, dass wenn die Nacht vorbei ist, das lyrische Ich seine in der Nacht aufgestiegene Liebe wieder in sein Herz schließt, sie also zu seiner „geheimen Liebe“ macht.
Es fällt auf, dass die Kadenzen2 sich dem Reimschema anpassen. So liegen die Kadenzen
„f m m f“ in den ersten beiden Strophen vor. In den beiden Terzetten finden sich
die Kadenzen „m f f“.
Die klare Struktur und der Rahmen des Sonetts stehen im klaren Kontrast zum Inhalts des Gedichtes. Dies zeigt, dass sich das lyrische Ich von der Gesellschaft und den gesellschaftlichen Normen eingeengt fühlt. Diese Enge führt dazu, dass das lyrische Ich seine Gefühle nur im geheimen und vor allem Nachts ausleben kann. Tagsüber ist dies nicht möglich, was durch die Beschreibung „Wenn der leere lange Tag vergangen“ (V. 10) hervorgehoben wird.
Im ersten Vers des Gedichtes beschreibt das lyrische Ich, dass es unglücklich durch das Leben gehen muss (vgl. V. 1). Dies zeigt zunächst, dass das dieses Unglück nicht vom lyrischen Ich ausgeht und dass es dazu gezwungen wurde. Im Verlauf der Strophe wird dieses Unglück noch weiter ausgeführt. Durch die Formulierung der Verbannung aus „der Liebe schönem Reich“ (V. 3) wird die Metapher3 eines Königreichs erschaffen. In diesem sind auch die „Rechte [des lyrischen Ichs] nicht anerkannt“ (V. 2). Das lyrische Ich befindet sich somit ausserhalb des Reiches, das hier symbolisch für Liebe steht. Er sehnt sich danach das Reich betreten zu können, wird aber durch seine Verbannung daran gehindert. Ein Königreich steht symbolisch für Freiheit und Reichtum, aber auch für persönliche Erfüllung. Diese kann das lyrische Ich jedoch nicht erreichen. Seine Sehnsucht danach wird durch die Beschreibung „Mu[ss] ich […] steht ihr Schönstes sehen!“ (V. 4) deutlich.
Die zuvor dargelegten Kadenzen unterstützen die Botschaft der ersten Strophe. Der erste und der vierte Vers des Quartetts sind positiv konnotiert und um dies zu unterstützen mit weiblichen, weichen Kadenzen versehen. Die beiden andere Verse, also der zweite und der dritte Vers, beschreiben die Verbannung aus dem Königreich und die damit verbundenen Einschränkung der Rechte. Sie sind mit männlichen, harten Kadenzen konnotiert.
Die zweite Strophe beschreibt, dass das lyrische Ich seine Gefühle verbergen muss. Dies wird dadurch beschrieben, dass „die schwache Zunge“ (V. 5) diese nicht gestehen darf. Dies lässt vermuten, dass das lyrische Ich sein lyrischen oder rhetorischen Fähigkeiten zurückhalten muss und diese nicht frei ausleben darf. Er darf seiner Liebe noch nicht einmal „verstohlen [einen] Blick“ (V. 6) zuwerfen und noch nicht mal im daran denken (vgl. V. 8). All diese Vergleiche zeigen, wie eingeengt sich das lyrische Ich fühlt und das sogar die Gedanken des solchen dieser Zensur unterliegen.
Das erste Terzett beschreibt den Problemlöseansatz des lyrischen Ichs. Um sich zu trösten sucht er die „fremde[…] Nacht“ (V. 9). Um sich der Liebe hinzugeben sucht das lyrische Ich also nicht nach ihr im bekannten Umfeld, sondern sucht bewusst die Fremde, was seinen Abenteuergeist und auch den Bezug zur Natur zeigt. Das am Tage verborgene und auch aus den Gedanken des lyrischen Sprechers verbannte Gefühl der Liebe wird in der Nacht zum Ausdruck gebracht. Die persönliche Zuneigung zur Nacht wird durch die Personifikation4
„Ihr vertrau’ ich“ (V. 11) verdeutlicht.
Im Kontrast zur trostspendenden Nacht steht die Beschreibung des Tages. Dieser wird mit negativ konnotierten Worten wie „leere“ und „lange“ (V. 10) charakterisiert.
Das zweite Terzett beschreibt das Ende der Nacht, die das lyrische Ich in „Tränen […] durchwacht“ (V. 12) hat. Wieder wird die Nacht personifiziert und als „meine Nacht“ (V. 12) bezeichnet. Dadurch wird auch der Rückzugsraumcharakter der Nacht deutlich.
Wieder wird der starke Gegensatz zwischen der Nacht und dem Tag deutlich, dieser wird wieder als „lange® leere® Tag“ (V. 13) beschrieben.
Am Ende der Nacht muss das lyrische Ich seine Gefühle wieder unterdrücken. Dies wird mit „still ins Herz steigt meine Liebe nieder“ (V. 14) artikuliert. „steigt […] nieder“ (op. cit.) wirkt wie die Beschreibung eines Sonnenuntergangs. Dies läuft gegensätzlich zu dem eigentlichen Sonnenuntergang ab, der zur gleichen Zeit stattfinden sollte. Für das lyrische Ich hat der eigentliche Sonnenuntergang also eine negativ konnotierte Rolle, da diese die Nacht beendet, zu der er eine persönliche Bindung hat. Am Tag wird das Gefühl der Liebe wieder unterdrückt, für ihn geht also die Sonne förmlich unter.
Das Gedicht lässt sich zweifelsohne in die Epoche der Romantik zuordnen. Die Thematik der Liebe und der Bezug zur Natur sind typisch für die Epoche und auch das Sonett gilt als typische Form für die Lyrik in der Romantik. Auch das Motiv der Nacht und das des Traumes sind typisch für diese Epoche. Die Ablehnung des Stadtlebens und der Bezug zur Natur sind ebenfalls eine weitverbreitete Motivik.