Kurzgeschichte: Schönes goldenes Haar (1968)
Autor/in: Gabriele WohmannEpoche: Gegenwartsliteratur / Literatur der Postmoderne
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Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Die Kurzgeschichte „Schönes goldenes Haar“ geschrieben von Gabriele Wohmann und veröffentlicht im Jahre 1968 thematisiert die anscheinend gescheiterte Ehe zweier Menschen, welche nur noch durch die gemeinsame Tochter verbunden werden.
Die Geschichte kann man in drei Teile einteilen. Im ersten Teil wird dargestellt wie die Frau verzweifelt versucht mit ihrem Mann ein Gespräch über die eigene Beziehung zu führen. Die Tochter hält sich währenddessen zusammen mit ihrem Freund im Obergeschoss auf. Später, im zweiten Teil, wird die Sichtweise des Mannes dargelegt. Er reagiert genervt und wirkt deutlich desinteressiert. Schließlich, am Ende beschreibt die Mutter stolz ihre Tochter Laurela, welche für sie eine Quelle von Lebensfreude darstellt, doch selbst an dieser Stelle zeigt sich der Ehemann sich emotionslos.
In der ganzen Kurzgeschichte liegt ein Er-/Sie-Erzähler vor, welcher das Geschehen im personalen Erzählverhalten an den Leser vermittelt. Während anfangs die Situation aus der Sicht der Frau geschildert wird, erfolgt später ein Perspektivwechsel und der Leser erhält einen Einblick in die Gedanken des Mannes. Außerdem ist Wohmanns Kurzgeschichte im Präteritum und enthält viel direkte Rede als auch erlebte Rede. So wirkt die Situation besonders spannend und ergreifend auf den Leser.
Schon am Anfang fällt auf, dass weder Frau noch Mann beim Namen genannt werden, ein Hinweis auf Emotionslosigkeit und die Distanz zwischen den Eheleuten.
Die Kurzgeschichte beginnt mit dem Satz „Ich verstehe dich nicht“ (V. 1), welchen die Frau zu ihrem Mann sagt. Typisch für Kurzgeschichten wird der Leser ohne Einleitung mitten ins Geschehen hineingeworfen. Seine Aufmerksamkeit wird so bereits am Anfang angeregt.
Die Frau wirft ihrem Mann vor, er blicke der Zukunft seiner Tochter emotionslos und gleichgültig entgegen. So wird das Desinteresse des Ehepartners schon angedeutet. Während die Frau damit beschäftigt ist seine Socken zu stopfen, liest der Mann die Zeitung. Hier wird die Rollenverteilung bereits angedeutet, indem die Frau deutlich die Rolle der Hausfrau übernimmt. Immer wieder möchte sie ihren Mann zur aktiven Teilnahme am Gespräch anregen (vgl. Z. 11, Z. 21), doch anstatt eine Antwort zu erhalten, reagiert der Mann nur mit Knistern der Zeitung (vgl. Z. 8). Als sie ihn beobachtet, fällt ihr auf, dass neben seinen „fetten Krallen“ (V. 9) nicht mehr von ihm da ist. Der Mann zeigt keinerlei Gefühlsregung und geht weder emotional noch verbal auf seine Ehefrau ein. Man kann fast sagen, er geht dem Gespräch absichtlich aus dem Weg und versteckt sich hinter der „Wand der Zeitung“ (V. 8). Die „Wand“ stellt hier deutlich eine Blockade zwischen den Eheleuten dar, welche nicht fähig sind, miteinander zu kommunizieren.
Es scheint, als hätte der Mann bereits mit seiner Jugend abgeschlossen (vgl. V. 12). Außerdem wird unterstrichen, dass die beiden Partner bereits früher andere Vorstellungen einer Beziehung hatten. Seine damaligen Wünsche werden als deutlich abwertend, komisch und dreist (vgl. V. 13) beschrieben. Zwischen den Ehepartnern gibt es so kaum Gefühlsregung, da sie offensichtlich andere Auffassungen einer Beziehung haben. Womöglich macht es der Mutter deshalb Mühe „sich Laurela vorzustellen“ (V. 28). Außerdem auffällig ist, dass der Freund von Laurela im kompletten Gegenteil zu dem Ehemann steht, denn dieser wird als nett und höflich (vgl. V. 16) beschrieben. Selbst der Freund, Herr Fetter wird namentlich erwähnt, während die beiden Protagonisten namenlos bleiben. Die emotionale Entfernung zwischen den Ehepartnern wird so erneut hervorgehoben.
Als der Ehemann weiterhin nicht antwortet, beginnt die Frau über ihre Rolle in einer Beziehung nachzudenken, dabei sieht sie sich als Opferlamm (vgl. V. 18) und verdeutlicht klar, dass sie keine Freude und kein Vergnügen mehr verspürt (vgl. V. 17). Der Satz „Ich verstehe dich nicht“, welcher bereits am Anfang erwähnt wurde, zieht sich leicht abgeändert durch die komplette Erzählung.
Die Verzweiflung der Frau sowie die unterschiedlichen Sichtweisen beider Eheleute, werden so immer wieder hervorgehoben.
Erst nachdem die Frau schon jammert (vgl. Z. 21) um ihre emotionale Leere zum Ausdruck zu bringen, äußert sich der Mann zum ersten Mal, jedoch reagiert er deutlich wütend und genervt von der Situation, so knüllt er die Zeitung zusammen (vgl. Z. 23) und bringt sein Unverständnis zum Ausdruck (vgl. Z. 25). Der Mann möchte am liebsten in Ruhe gelassen werden und der Gesprächssituation entkommen. Als die Frau dann aber wieder versucht ins Gespräch zu kommen, hebt er schnell „wieder die Zeitung vors Gesicht“ (Z. 30). Er distanziert sich so sichtlich. Das fällt auch seiner Frau auf, so versucht sie ihre Wut abzubauen, indem sie mit der „heißen Faust“ (V. 28) die Wolle bündelt. Die Faust steht deutlich für ein Symbol von Wut und Aufregung. Das Verhältnis zwischen den Eheleuten muss sich verändert haben, so scheint die Erinnerung nur noch „ausgeblichen“ (V. 28). Den Mann beschreibt die Frau sehr abwertend und anwidernd, so rülpst er Zufriedenheit aus dem prallen Stück Bauch. Die Darstellung als „Hausfrau“ wird an dieser Stelle gut verdeutlicht, so versorgt die Frau ihren Mann immer gut, schmückt sogar sein Fleisch (vgl. V. 27) und stopft ihm die braunen Socken. Diese Farbbeschreibung deutet offensichtlich die schon abgekühlte und triste Atmosphäre zwischen den Eheleuten an. Nach dem Perspektivwechsel (V. 31) gewinnt der Leser einen Einblick in die Gefühlswelt des Mannes. Er vergleicht die Frauen mit Hühnern (vgl. V. 32), welche dauernd gackern und immer jemandem zum Reden brauchen. Als ihm jedoch auffällt, die Frau könnte womöglich keinen mehr zum Reden haben, wenn die Tochter auszieht (vgl. V. 33 ff.), wird ihm unwohl und er schaltet schnell das Radio an, um dieser Vorstellung zu entkommen (vgl. V. 35). Wieder betont die Farbe „braun“ die triste und distanzierte Beziehung.
Da der Mann sich offensichtlich viel weniger mit diesem Thema auseinandersetzt, ist auch sein Redeanteil deutlich kürzer als der, der Frau.
Nachdem der Mann sich der Konversation entzogen hat, presst die Frau „das Stopfei gegen den Magen“ (V. 37). Sie zeigt so ihre Wut und Enttäuschung.
Das Einzige, was ihr noch Freude bereitet, ist ihre Tochter. Sie repräsentiert Lebensfreude, was die Beschreibung ihrer goldenen Haare sowie die des blauen Kleids (vgl. V. 39) verdeutlicht. Die Farbe „Blau“ kann ihr deutlich ihre Sehnsucht nach einer leidenschaftlichen Beziehung symbolisieren. Die Mutter ist stolz auf ihre Tochter, aber obwohl beide Elternteile diesen Stolz teilen könnten, zeigt sich der Vater erneut emotionslos (vgl. V. 46).
Die Distanz der beiden Ehepartner wird schließlich erneut durch die Beschreibung „seine und ihre Tochter“ (V. 49) unterstrichen. Sie haben keine Gemeinsamkeiten mehr und entfremden sich zunehmen.
Die Geschichte endet mit einem gespaltenen Gefühl der Mutter, so verspürt diese Mitleid und stolze Verwunderung zugleich (vgl. Z. 50).
Betrachtet man den historischen Hintergrund, lässt sich schließen, dass der Text deutlich die Rollenklischees und die Rollenverantwortung in einer Beziehung kritisiert. Er appelliert an die Frauen sich von diesen Klischees zu lösen, so wie die Mutter hofft, dass ihre Tochter nicht in einer solchen Beziehung landet und nicht wie sie, die Rolle der Hausfrau annehmen muss.
Wohmann ist bekannt dafür die gesellschaftlichen Erwartungen und die Tradition zu kritisieren. Oft stellt sie den Konflikt zwischen dem eigenen Willen und dem der Tradition dar. Ihre Werke sind oft von Kommunikationsproblemen geprägt. Sie schildert das Desinteresse eines Partners, die unterschiedlichen Auffassungen der Beziehung und die daraus resultierende Unfähigkeit zur Kommunikation.
Ihre Geschichten können so als Appell an die Zeit gesehen werden, welcher die Frauen dazu aufruft aktiv etwas zu ändern.
Insgesamt beschreibt Gabriele Wohmann in dieser Erzählung die gescheiterte Kommunikation zweier Eheleute besonders anschaulich. Mittels vielen ausdrucksstarken Begriffen, dem Perspektivwechsel zur Sicht des Mannes sowie der verwendeten erlebten Rede, gelingt es ihr dem Leser einen tiefen Einblick in die Gedankenwelt beider Eheleute zu geben. Gleichzeitig wird so Spannung aufgebaut.