| | Freude war in Trojas Hallen, |
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| Eh die hohe Feste fiel; |
| Jubelhymnen hört man schallen |
| In der Saiten goldnes Spiel; |
| Alle Hände ruhen müde |
| Von dem thränenvollen Streit, |
| Weil der herrliche Pelide |
| Priams schöne Tochter freit. |
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| | Und geschmückt mit Lorberreisern, |
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| Festlich wallet Schaar auf Schaar |
| Nach der Götter heil'gen Häusern, |
| Zu des Thymbriers Altar. |
| Dumpf erbrausend durch die Gassen |
| Wälzt sich die bacchant'sche Lust, |
| Und in ihrem Schmerz verlassen |
| War nur eine traur'ge Brust. |
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| | Freudlos in der Freude Fülle, |
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| Ungesellig und allein, |
| Wandelte Kassandra stille |
| In Apollos Lorbeerhain. |
| In des Waldes tiefste Gründe |
| Flüchtete die Seherin, |
| Und sie warf die Priesterbinde |
| Zu der Erde zürnend hin: |
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| | Alles ist der Freude offen, |
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| Alle Herzen sind beglückt, |
| Und die alten Eltern hoffen, |
| Und die Schwester steht geschmückt. |
| Ich allein muß einsam trauern, |
| Denn mich flieht der süße Wahn, |
| Und geflügelt diesen Mauern |
| Seh' ich das Verderben an. |
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| | Eine Fackel seh' ich glühen, |
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| Aber nicht in Hymens Hand; |
| Nach den Wolken seh' ich ziehen, |
| Aber nicht wie Opferbrand. |
| Feste seh' ich froh bereiten, |
| Doch im ahnungsvollen Geist |
| Hör' ich schon des Gottes Schreiten, |
| Der sie jammervoll zerreißt. |
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| | Und sie schelten meine Klagen, |
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| Und sie höhnen meinen Schmerz. |
| Einsam in die Wüste tragen |
| Muß ich mein gequältes Herz, |
| Von den Glücklichen gemieden |
| Und den Fröhlichen ein Spott! |
| Schweres hast du mir beschieden, |
| Pythischer, du arger Gott! |
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| | Dein Orakel zu verkünden, |
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| Warum warfest du mich hin |
| In die Stadt der ewig Blinden |
| Mit dem aufgeschloßnen Sinn? |
| Warum gabst du mir zu sehen, |
| Was ich doch nicht wenden kann? |
| Das Verhängte muß geschehen, |
| Das Gefürchtete muß nahn. |
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| | Frommt's, den Schleier aufzuheben, |
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| Wo das nahe Schreckniß droht? |
| Nur der Irrthum ist das Leben, |
| Und das Wissen ist der Tod. |
| Nimm, o nimm die traur'ge Klarheit, |
| Mir vom Aug den blut'gen Schein! |
| Schrecklich ist es, deiner Wahrheit |
| Sterbliches Gefäß zu sein. |
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| | Meine Blindheit gib mir wieder |
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| Und den fröhlich dunklen Sinn! |
| Nimmer sang ich freud'ge Lieder, |
| Seit ich deine Stimme bin. |
| Zukunft hast du mir gegeben, |
| Doch du nahmst den Augenblick, |
| Nahmst der Stunde fröhlich Leben - |
| Nimm dein falsch Geschenk zurück! |
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| | Nimmer mit dem Schmuck der Bräute, |
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| Kränzt' ich mir das duft'ge Haar, |
| Seit ich deinem Dienst mich weihte |
| An dem traurigen Altar. |
| Meine Jugend war nur Weinen, |
| Und ich kannte nur den Schmerz, |
| Jede herbe Noth der Meinen |
| Schlug an mein empfindend Herz. |
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| | Fröhlich seh' ich die Gespielen, |
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| Alles um mich lebt und liebt |
| In der Jugend Lustgefühlen, |
| Mir nur ist das Herz getrübt. |
| Mir erscheint der Lenz vergebens, |
| Der die Erde festlich schmückt; |
| Wer erfreute sich des Lebens, |
| Der in seine Tiefen blickt! |
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| | Selig preis' ich Polyxenen |
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| In des Herzens trunknem Wahn, |
| Denn den Besten der Hellenen |
| Hofft sie bräutlich zu umfahn. |
| Stolz ist ihre Brust gehoben, |
| Ihre Wonne faßt sie kaum, |
| Nicht euch, Himmlische dort oben, |
| Neidet sie in ihrem Traum. |
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| | Und auch ich hab' ihn gesehen, |
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| Den das Herz verlangend wählt! |
| Seine schönen Blicke flehen, |
| Von der Liebe Gluth beseelt. |
| Gerne möcht' ich mit dem Gatten |
| In die heim'sche Wohnung ziehn; |
| Doch es tritt ein styg'scher Schatten |
| Nächtlich zwischen mich und ihn. |
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| | Ihre bleichen Larven alle |
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| Sendet mir Proserpina; |
| Wo ich wandre, wo ich walle, |
| Stehen mir die Geister da. |
| In der Jugend frohe Spiele |
| Drängen sie sich grausend ein, |
| Ein entsetzliches Gewühle! |
| Nimmer kann ich fröhlich sein. |
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| | Und den Mordstahl seh' ich blinken |
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| Und das Mörderauge glühn; |
| Nicht zur Rechten, nicht zur Linken |
| Kann ich vor dem Schreckniß fliehn; |
| Nicht die Blicke darf ich wenden, |
| Wissend, schauend, unverwandt |
| Muß ich mein Geschick vollenden |
| Fallend in dem fremden Land - |
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| | Und noch hallen ihre Worte - |
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| Horch! da dringt verworrner Ton |
| Fernher aus des Tempels Pforte, |
| Todt lag Thetis' großer Sohn! |
| Eris schüttelt ihre Schlangen, |
| Alle Götter fliehn davon, |
| Und des Donners Wolken hangen |
| Schwer herab auf Ilion. |