Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
„Sie schlief, und weit und breit Schlug jede Blum´ ihr Haupt zu Erden“ (G.E. Lessing, „Die schlafende Laura“, 1753, V.7 f.)
Die Natur, eine schlafende Frau und deren Liebe spielt nicht nur in Gotthold Ephraim Lessings Gedicht „Die schlafende Laura“ (1753) eine bedeutsame Rolle, sondern auch der deutsche Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock, der von 1724 bis 1803 lebte, schrieb im selben Jahr in der Ode „Das Rosenband“ über diese Motive. Die Ode ist der Epoche der Empfindsamkeit zuzuordnen. Die Frau wird mit der Natur gleichgesetzt und scheint mehr und mehr erreichbar zu sein.
Die Ode besteht aus vier Strophen, die jeweils drei Verse enthalten. Ein Reimschema ist nicht erkennbar, eine Ode besitzt selten ein Reimschema, doch scheint hier ein klarer inhaltlicher Bezug deutlich zu werden. Als Metrum1 verwendete der Autor einen Jambus, eine Abwechslung von männlicher und weiblicher Kadenz2 ist erkennbar, wobei der erste und letzte Vers jeder Strophe stets männlich ist. Auffallend ist der Aufbau der zweiten und vierten Strophe. Klare Parallelen sind erkennbar, es unterscheiden sich nur die Possessivpronomen und der letzte Vers. Diese Parallele schafft eine Ordnung im Aufbau, die in klarem Gegensatz zum nicht vorhandenen Reimschema steht.
Inhaltlich ist die Ode in zwei Abschnitte geteilt. Der erste Abschnitt, der Strophe eins und zwei umfasst, handelt von einem lyrischen Ich, dass eine Frau im Frühlingsschatten findet vgl. V. 1). Das lyrische Ich, wahrscheinlich männlich, „band […] sie mit Rosenbändern“ (V. 2), was wohl bedeutet, dass es sich in die Frau verliebt. Diese bemerkt dies nicht, da sie schläft (vgl. V. 3). In der zweiten Strophe betrachtet das Lyrische Ich die Frau abermals und spürt eine Art Verbindung „mein Leben hing […] an ihrem Leben“ (V. 5), wobei das Lyrische Ich diese Verbindung zwar fühlt, ihm jedoch nicht bewusst ist, dass es sich verliebt hat (vgl. V. 6).
Die Strophen drei und vier bilden den zweiten Abschnitt. Nachdem das lyrische Ich mit der Frau spricht und sich verstärkt in sie verliebt, wacht diese auf (vgl. V. 7 ff.). In der vierten Strophe sieht die Frau das lyrische Ich an (vgl. V. 10) und auch sie verliebt sich. Mit den Worten „Und um uns ward´s Elysium“ (V. 12) endet die Ode. Dass Friedrich Gottlieb Klopstock “Das Rosenband“ in Form einer Ode schrieb, ist wenig verwunderlich, da Feierlichkeit und Würde durch diese Gestalt sehr gut zur Geltung kommen. Auch andere Dichter des 18. Jahrhunderts, wie F. Schiller und J. W. Goethe schrieben zahlreiche Oden. Im Verlauf der Ode “Das Rosenband“ ist eine klare inhaltliche Entwicklung erkennbar. Zu Beginn ist die Frau durch ihren Schlaf unerreichbar, wacht dann aber auf und ist ansprechbar (vgl. V. 6). Diese inhaltliche Entwicklung wird durch den Aufbau, die Parallele von Vers zwei und vier, unterstützt. Eine weitere Parallele bilden Strophe eins und drei. In V. 2 schreibt der Autor: „Da band ich sie mit Rosenbändern“, in V. 8 heißt es: „Und rauschte mir den Rosenbändern“. Auch ist in beiden Strophen im letzten Vers vom Schlaf die Rede (vgl. V. 3 u. V. 9). Die Parallelen von Strophe eins und drei, sowie zwei und vier, verdeutlichen die inhaltlichen Ereignisse sehr klar und schaffen eine Struktur, die im Bezug zum Inhalt zwar deutlich wird, jedoch steht nicht diese Ordnung im Vordergrund, sondern eher die Naturverbundenheit und die Vergleiche der empfundenen Liebe mit Rosen (vgl. V. 2).
Eine Kreisstruktur bilden die Worte „Frühlingsschatten“ (V. 1) zu Beginn der Ode und „Elysium“ (V. 12) am Ende. Das Elysium sind nach der griechischen Mythologie Wiesen, die mit Rosen geschmückt sind, hinzukommt, dass dort immer Frühjahr ist. Mit der Metapher3 „Und um uns ward´s Elysium“ (V. 12) wird durch die Liebe eine neue Welt geschaffen. Die Frau und deren Liebe gestaltet eine Art vollkommene Welt, das Elysium. Der Frühling steht für das Erwachen der Natur nach eisigen Wintern, für zarte Blumen und für die Schönheit. All diese Motive verwendet auch F.G. Klopstock. Die Rose ist das Symbol für Liebe und Schönheit, diese Sinnbilder stehen hier ganz klar im Vordergrund. Die Metapher „Rosenbänder“, wie sie in V. 2 und V. 8 vorkommen, stellt eine zarte Liebe dar, die sich wiederum mit dem Frühjahr ergänzt. Da dieser Begriff auch den Titel bildet, wird der Prozess des Verliebens und die Rose als Symbol erneut erwähnt, dessen Wichtigkeit wird verdeutlicht. Die Bezüge zum Frühjahr werden durch die Personifikation4 „Und rauschte mit den Rosenbändern“ (V. 8) verdeutlicht, da der Begriff „rauschen“ sehr lebhaft klingt, was mit dem Frühling als lebendige Jahreszeit übereinstimmt. Eine weitere Personifikation verwendet der Autor, indem er schreibt „mein Leben hing […] an ihrem Leben“ (V. 4/5). Durch dieses Stilmittel wird stark verdeutlicht, wie sehr das Lyrische Ich mit der Frau verbunden ist. Das lyrische Ich scheint sehr unbeschwert, da von „Frühlingsschatten“ (V. 1) und Rosen (vgl. V. 2) die Rede ist, was alles sehr leicht und natürlich erscheint. Diese Unbeschwert- und Unbefangenheit wird durch die Tatsache, dass die Ode kein Reimschema hat, unterstützt.
Durch die Bezüge zur Natur und die individuelle Darstellung der Liebe, wird deutlich, dass die Epoche der Empfindsamkeit Bereiche des Eigenen Ichs betrifft und der Rückzug des Einzelnen aus der Öffentlichkeit eine bedeutende Rolle spielt. Die Empfindsamkeit bereitete die Epoche des Sturms und Drang vor. In dieser kurzen Epoche standen Individualismus und persönliche Werte sowie Gefühle im Vordergrund. Diese Motive werden auch in F.G. Klopstocks Ode „Das Rosenband“ hervorgehoben. Klopstock spielte in der Empfindsamkeit eine zentrale Rolle, er schrieb zahlreiche Oden, Briefe und Elegien.
Abschließend ist zu sagen, dass F.G. Klopstock mit seiner Ode „Das Rosenband“ eine zentrale Änderung im Vergleich zu den Inhalten im Barock anspricht. Die Frau bleibt nicht unerreichbar, sondern eine Liebesbeziehung ist mehr und mehr realisierbar. Das Lyrische Ich scheint individueller, es wird keine einheitliche Situation, die für jeden zutrifft dargestellt, sondern persönliche Gefühle und Erfahrungen finden Ausdruck. Zwischen Gotthold Ephraim Lessings und Friedrich Gottlieb Klopsstocks Gedichten „Die schlafende Laura“ und „Das Rosenband“ sind deutliche Ähnlichkeiten erkennbar, die Motive von Natur, Liebe und Blumen werden aufgegriffen, um Gefühle und individuelles Empfinden zur Geltung zu bringen. Die Ode „Das Rosenband“ wurde anschließend 1815 vom österreichischen Komponisten Franz Schubert zu einem Volkslied umgestaltet. Es gelang F.G. Klopstock, dass das Lebensgefühl, das er in „Das Rosenband“ zu vermitteln versuchte, selbst zweiundsechzig Jahre später eine bedeutsame Rolle spielte.