Drama: Frühlings Erwachen / Frühlingserwachen (1891)
Autor/in: Frank WedekindEpoche: Naturalismus
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Die zweite Szene des zweiten Aktes aus dem Drama „Frühlings Erwachen“ (1890) von Frank Wedekind handelt von dem Gespräch zwischen Wendla und ihrer Mutter, in der das Gebären von Kindern thematisiert wird.
Das Geschehen beginnt damit, dass Wendlas Mutter sie auffordert, sich anzuziehen, denn ihre Schwester hat einen Sohn erhalten. Anschließend steigt das Interesse von Wendla und befragt ihre Mutter rund um die Geburt, doch für Details solle sie ihre Schwester fragen. Während Wendla daraufhin ihrer Mutter mitteilt, sie glaube nicht mehr an den Storch, solle sie Wendla endlich die Wahrheit erzählen. Ihre Mutter wird nervöser und aufgebrachter. Laut ihrer Theorie benötigt man nur einen Mann, den man sehr liebt, um schwanger zu werden.
Womöglich ist diese Konversation dadurch entstanden, dass Wendla Angst um Schwangerschaften hat, da Melchior sie schlug und ihr Fantasien mit verbundener Lust in den Kopf stiegen. Nach dem Konflikt mit ihrer Mutter hat sie Sex mit Melchior, wobei er sie schwängert.
Im Dialog dominiert weder Wendla noch Frau Bergmann. Doch es kommen sehr viele Verspottungen vor, die beide häufiger anwenden, da sich beide missverstanden von jeweils anderem fühlen (vgl. S. 31, Z.8ff.). Während Frau Bergmann wieder die Theorie mit dem Storch aufdeckt, nimmt ihre Tochter sie nicht ernst:„Ich hätte so furchtbar gerne gewusst, ob er durchs Fenster oder durch den Schornstein geflogen kam“ (S. 31, Z.10f.). Es zeichnet ebenfalls den Sarkasmus aus, aufgrund der Unehrlichkeit ihrer Mutter.
Frau Bergmann teilt ihrer Tochter klar mit, dass die Hoffnung definitiv aufgegeben ist: Wendla könnte nie irgendwann eine anständige Frau werden (vgl. S. 31, Z.35f.). Es führt auf den Konflikt mit dem Prinzesskleid zurück, wobei Wendla mit 14 Jahren immer noch nicht an den damals zeitlichen Elementen einer femininen und starken Frau aufbauen lassen wollte (vgl. S. 7,Z.7ff.).
Wendla nimmt ironischer Weise Einsicht in der Theorie der Kinder und gibt ihrer Mutter die Schuld, weswegen sie noch keine Aufklärung besitze, obwohl ihre Schwester seit zweieinhalb Jahren verheiratet ist und drei Kinder besitzt (vgl. S. 31, Z.37ff.).
Dadurch verschlechtert sich die Situation und Dynamik greift in den Raum ein, da Frau Bergmann mit dem Gedanken spielt, dass ihre Erziehung versagt hat (vgl. S. 32, Z.9ff.). Besonders weil sie ihre Tochter nun wie eine psychisch gestörte Person behandelt, ruft es verzweifelte Rufe nach Gott hervor (vgl. S. 32, Z.9 Z.15).
Frau Bergmann unterstellt ihre Tochter trotz Bezugsrahmen, dass die Thematisierung keinen Wert für Wendla in ihrem Alter haben sollte. Aus Wendlas Sicht verliert ihre Mutter die Macht und Dominanz (vgl. S. 32, Z.19ff.). Frau Bergmann versucht das Gespräch auf zwei Wochen zu verschieben: damit hofft sie, Wendlas Interesse verfällt (vgl. S. 32, Z.19ff.). Die Ausrufe von der Mutter zeigen ebenfalls die Hilflosigkeit und besonders die Niedergeschlagenheit von ihr in diesem Thema (vgl. S. 32, Z.15). Doch Wendla drängt sie, möchte Nachweis in ihren Gedanken (vgl. S. 32, Z. 24f.). Dass Wendla ihren Kopf im Schoß ihrer Mutter legen möchte und sie auch mit der Schürze zu decken soll, zeigt die kindliche und unreife Seite von Wendla, doch auch der starke Bezug zu ihrer Mutter (vgl. S. 32, Z.28ff.). Auch wenn die Mutter mit dem Weg zur richtigen Frau Wendla hetzen möchte, behandelt Frau Bergmann sie wieder wie ein kleines Kind. Doch das Ziel ist nicht weit hergeholt: Wendla soll die Interesse an Jungs dadurch verlieren und die Fixierung ihrer Gedanken auf Familie und Loyalität setzen.
Frau Bergmanns Versuche ihre Tochter auf die Herausforderungen dieses Lebens vorzubereiten zeigen schnell, wie bedenklich sie in der Entwicklung ihr Engagement setzt. Ihre Prioritäten bleiben bei der Sabotage von Wendlas Schema (vgl. S. 33, Z.17ff.).
Wendlas Redeanteile mindern sich durch das Benehmen ihrer Mutter, das Lügen nimmt immer mehr zu (vgl. S. 33, Z.9ff.)
Die Beziehung zwischen Wendla und ihrer Mutter wird beim Thema der Fortpflanzung exzessiv dünn: beide reagieren mit völlig verschiedenen Interessen gegen den anderen und lassen Wichtiges unausgesprochenen (vgl. S. 31). Ansonsten befindet sich das Verhältnis relativ gut, doch die Geburt lässt Lücken wachsen, die verheerende Folgen für den Verlauf haben werden.
Zusammenfassen kann man sagen, dass dieses Thema sehr unangenehm für Frau Bergmann ist und ihr den Grund gibt, ihre eigene Tochter bei einem menschlichen Thema anzulügen. Ihre Tochter Wendla dagegen wirkt mit großem Interesse, fühlt sich jedoch isoliert vom Menschsein. Die Beziehung ist hiermit auf die Probe gestellt, da ständige Lügen und fehlendes Verständnis immens sind. Die Konsequenten von Sex ohne Aufklärung fallen somit auf Frau Bergmanns Konto, obwohl sie einige Chancen hatte, es schnell und schmerzlos ihrer Tochter zu erklären.