Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Bei dem hier vorliegenden Text handelt es sich um die Parabel „Eine kaiserliche Botschaft“ von Franz Kafka. Es handelt sich um eine Erzählung über den Weg von Wahrheit und Botschaft, die den Adressaten, den Menschen, nicht erreichen kann.
Zunächst fällt sofort die direkte Ansprache des Lesers auf: „Der Kaiser - so heißt es - hat dir, dem Einzelnen, dem jämmerlichen Untertanen […]“, gerade dir hat der Kaiser von seinem Sterbebett aus eine Botschaft gesendet“ (Z. 1-3). Auffällig ist nicht nur, dass der Leser direkt angesprochen wird, sondern auch, dass seine Position sehr deutlich gemacht wird. Er ist eindeutig untergeordnet und scheint durch die Betonung er sei ein „jämmerlicher Untertan“ auch nicht würdig zu sein, die kaiserliche Botschaft zu empfangen.
Die Beschreibung „dem winzig vor kaiserlichen Sonne in die fernste Ferne geflüchteten Schatten“ (Z. 1-2), verdeutlicht, warum dies so ist. An dieser Stelle werden Sonne und Schatten gegenübergestellt. Während die kaiserliche Sonne die lebenspendende Kraft und Herrlichkeit darstellt, ist der Untertan in die „fernste Ferne“, in die Schatten geflüchtet. Dies bedeutet, dass er sich wissentlich von dem Lebensspender und einem erfüllten Leben abgewandt hat.
Die Botschaft selbst jedoch scheint von größter Bedeutung zu sein: „Den Boten hat er beim Bett niederknien lassen und ihm die Botschaft ins Ohr geflüstert“ (Z. 3-4). Diese Botschaft enthält anscheinend derart wichtige Inhalte, dass sie lediglich einer einzigen Person anvertraut wird. Und auch hier wird großer Wert darauf gelegt, dass dieser die Botschaft auch in ihrer richtigen Form wiedergeben kann (vgl. Z. 4-5). Durch diese zunächst übertrieben anmutende Geste wird deutlich, dass es nicht zu Missverständnissen in Bezug auf die Botschaft kommen darf. Dies ist damit zu begründen, dass sie wohl große Auswirkungen auf dem Empfänger haben wird. Zudem ist es eine Nachricht vom Sterbebett aus, dies bedeutet, dass sie nicht wiederholt oder erklärt werden kann.
Die Umgebung bzw. das Umfeld des Sterbenden machen einen Eindruck, als könne der Sterbende in den letzten Momenten seines Lebens nicht zur Ruhe und zu innerem Einklang kommen: „Und vor der ganzen Zuschauerschaft seines Todes – alle hindernden Wände werden niedergebrochen und auf den sich weit und hoch schwingenden Freitreppen stehen im Rin die Großen des Reiches“ (Z. 5-8). Diese Szenerie erweckt den Eindruck eines Gerichtes, dem sich der Sterbende ein letztes Mal stellen muss. Seine Taten sind nun öffentliche und werden aufs genaueste beobachtet. Auch die niedergbrochenen Wände zeigen, dass Schutz und Halt verloren sind, der Tod also nahe ist. Dies zeigt, wie allein und auch schutzlos sich ein jeder dem Tode stellen muss.
Für das letzte Anliegen des Kaisers scheint der Bote bestens geeignet: „Der Bote hat sich gleich auf den Weg gemacht; ein kräftiger, ein unermüdlicher Mann“ (Z. 8-9). Des Kaisers Botschaft wohnt also nicht nur eine große Wichtigkeit inne, sondern auch eine Hast und Dringlichkeit. Durch die Wahl des Boten soll sichergestellt werden, dass die Botschaft den Empfänger erreicht.
Zunächst scheint dies auch gut zu funktionieren: „[…] schafft er sich Bahn durch die Menge; findet er Widerstand, zeigt er auf die Brust, wo das Zeichen der Sonne ist; er kommt auch leicht vorwärts, wie kein anderer (Z. 9-11). Der Weg des Boten scheint durch die Autorität seines Amtes, vor allem aber durch die, die das Sonnenabzeichen ihm verleiht, geebnet zu sein. Kein anderer wäre besser geeignet als er.
Und doch stößt dieser eigentlich bestens geeignete Mann auf Hindernisse: „Aber die Menge ist so groß; ihre Wohnstätten nehmen kein Ende, öffnet sich ein freies Feld, wie würde er fliegen und bald hörtest du das herrliche Schlagen seiner Fäuste an deiner Tür“ (Z. 11-13). An dieser Stelle wird deutlich, dass sich dem Boten zu viele Widrigkeiten in den Weg stellen. Die einfache Menge weicht vor seiner Autorität, doch genau sie ist es, die ihn nicht passieren lässt.
Der Weg zu dir, dem Empfänger würde ohne diese leicht und schnell zurückgelegt sein.
„Aber statt dessen, wie nutzlos müht er sich ab“ (Z. 13). Dies ist die Wirklichkeit, vor die sich der Bote gestellt sieht. Es gibt keinen für ihn möglichen Weg, denn trotz aller Bemühungen bleiben alle Widerstände bestehen. Er „zwängte […] sie Gemächer des innersten Palastes; niemals wird er sie überwinden; und gelänge ihm dies, nichts wäre gewonnen […] und so weiter durch Jahrtausende“ (Z. 13-17). Der hier durchgehend genutzte Konjunktiv drückt aus, dass es sich um reine Gedankenspiele handelt. Der Weg des Boten gleicht einem labyrinthischen Wahnsinn, dem er trotz allen Bemühens nicht entfliehen kann. Sogar hypothetische Erfolge sind nichtig, da er sein eigentliches Ziel auch dann nicht erreichen kann. Auch wird deutlich, dass es sich um eine Botschaft handelt, die dem Menschen schon lange zukommen sollte, „durch Jahrtausende“ getragen und doch niemals angekommen.
Es ist eine scheinbar unmögliche Aufgabe: „aber niemals, niemals kann es geschehen – […] Niemand dringt hier durch und gar nicht mit der Botschaft eines Toten“ (Z. 18-20). Die mehrmals wiederholte Betonung des „niemals“ macht sehr deutlich, dass der Weg auf ewig verschlossen ist und somit die Botschaft und die in ihr erhaltene Wahrheit ungesagt bleiben wird. Die Auswirkungen auf den Menschen bleiben somit auch gänzlich aus.
Der letzte Satz der Parabel ist noch von entscheidender Bedeutung: „Du aber sitzt an deinem Fenster und erträumst sie dir, wenn der Abend kommt“ (Z. 20). Diese Beschreibung gleicht einem Gläubigen, der sein Abendgebet an Gott richtet und dich genau diese Botschaft ersehnt.
Die Suche nach einer transzendenten Verbringung jedoch bleibt „erträumt“ und wird den Weg zum Menschen nicht finden können.