Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Ein Wort von dir“ von Frank Richter thematisiert die Wirkung der Worte, aber auch des Schweigens. Er zeigt, wie Worte neue Welten erschließen und Menschen verbinden.
Das lyrische Ich spricht in diesem Gedicht zu einer nicht genannten Person. Es erzählt, wie Worte Welten eröffnen und Menschen verbinden kann. In Strophe zwei zeigt es, dass nicht nur die Worte zählen, sondern auch das Schweigen. In der letzten Strophe zeigt sich, wie Worte zum Schweigen bringen, aus dem Versteck locken, einem die Welt zeigen und eine Form sind, miteinander in Kontakt zu sein.
Das Gedicht ist durch ein unregelmäßiges Reimschema gekennzeichnet. In der ersten Strophe liegt ein Kreuzreim vor bei welchem in Vers vier eine Waise eingeschoben ist. In den letzten beiden Strophen reimen sich jeweils der erste und der dritte Vers. In den drei Strophen a fünf Versen sind ein parataktischen Satzbau und ein vier-hebigen Jambus erkennbar. Dieser wirkt durch seinen Beginn mit einer unbetonten Silbe sanft und harmonisch. Durch die zum Reimschema passenden alternierenden männlichen und weiblichen Kadenzen1 wird die Rhythmik des Jambus und der Textfluss des Gedichts unterstützt.
In der ersten Strophe und im Titel fällt auf, dass es sich hier eine Person direkt angesprochen wird. Dies wirft die Frage auf, wer es ist, den das lyrische Ich anspricht.
Jene Worte dieser Person wirken scheinbar besonders auf das lyrische Ich. Die Metapher2 „Ein Wort von dir eröffnet Welten“ (V. 1) zeigt, wie dieser Mensch dem lyrischen Ich Neues zeigt und seinen Horizont erweitert. Die angesprochene Person spricht zwar selten zu ihm, jedoch wird durch das Wort „prophetisch“ (V. 3) erkenntlich, wie göttlich und schön ihre Worte für das lyrische Ich sein müssen. Die Formulierung „lässt du meine Antwort gelten“ (V. 4) zeigt, dass es ins Gespräch kommen möchte, aber dies nicht so einfach ist, da seine Antwort auf ihre Worte erst angenommen werden muss. Wenn dieser Fall eintritt, dann „können [sie] verbunden sein“ (V. 5), also ein Gespräch oder eine Beziehung aufbauen.
Ob ihre Worte ihre Beziehung tragen beziehungsweise zusammenhalten können, wird durch das „[W]iegen“ (V. 6) des personifizierten „Gehörte[n]“ (V. 6) dargestellt. Worte wirken wie eine Stütze, eine tragende Rolle in der Beziehung. Aber auch dem Schweigen wird eine gewisse Funktion zugeordnet. Denn das lyrische Ich hat genauso gerne „geschwiegen“ (V. 8), wie es gesprochen hat. Diese antithetisch wirkende Aussage in Vers 8 lässt so auch das Schweigen wie Worte wirken.
Dieses Schweigen findet auch indirekt in der letzten Strophe Erwähnung. Erst werden die Worte mit Küssen gleichgesetzt und damit auf die Ebene des physischen gehoben. Dabei fällt besonders die Verdeutlichung der Worte durch die W-Alliteration3 „Wenn Worte warm wie Küsse schmecken“ (V. 11) auf. Die Küsse könnten metaphorisch für Nähe und Zärtlichkeit stehen, welche durch das Gesagte erzeugt werden. Doch anstatt zu einem Gespräch führt dies zum Schweigen. Die Formulierung „wird weit das Herz und still der Mund“ (V. 12) stellt bildlich das Schweigen dar, in welchem sich die Beiden, welche durch „wir“ angesprochen werden, sich gegenseitig Vertrauen schenken und sich dem anderen öffnen. Die Anapher4 „dann muss sich keiner mehr verstecken, dann können wir die Welt entdecken“ (V. 13-14) betont besonders die Wirkung dieser gegenseitigen Öffnung. Die Wortwahl „dann muss sich keiner mehr verstecken“ (V. 13) beschreibt metaphorisch, dass man sich nicht mehr zurückhalten muss sondern sich anvertrauen kann. Nun können sie gemeinsam „die Welt entdecken“ (V. 14), wobei die Welt symbolisch für die Zukunft stehen könnte, die noch vor ihnen liegt. Diese „Welt“ (V. 14) wird im letzten Vers durch die Akkumulation „so schön, so gut, so weit, so rund“ (V. 15) besonders positiv betont und wirkt einladend und schön. Wenn man dies unter dem Gesichtspunkt betrachtet, dass die „Welt“ (V. 14) als Symbol für die Zukunft gilt, so lässt sich feststellen, dass das lyrische Ich eine schöne und lange Zukunft für die Beiden sieht.
Nach genauerer Betrachtung der einzelne Strophen, lässt sich die Vermutung aufstellen, hier handle es sich um eine Person, die dem lyrischen Ich sehr nahe und wichtig ist. Diese Nähe wird durch die Metapher, der Küsse (vgl. V. 11) und das häufige Sprechen in der wir-Form deutlich.
Es wird die Wirkung der Worte gezeigt, die die Geliebte oder der Geliebte auf das lyrische Ich hat. Diese Worte wirken wie Balsam. Aber auch das Schweigen gehört dazu, denn darin öffnet man sein Herz und beginnt die gemeinsame Reise in die Zukunft. Denn Kommunikation ist beides, Reden und Schweigen.