Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
In der Ode „Die Heimath“ von Johann Christian Friedrich Hölderlin, die 1800 verfasst wurde, geht es um das lyrische Ich, das unglücklich verliebt ist und mit seiner Rückkehr in seine alte Heimat Linderung seines Liebeschmerzes sucht. Da das Gedicht den Ausgleich zwischen unbegründeten Gefühlen und rationalem Denken thematisiert, kann es zu weiten Teilen der Klassik zugeordnet werden. Jedoch weißen einige Elemente wie z. B. das unharmonische Scheitern trotz langanhaltender Hoffnung oder die Selbstfindung in der Natur auf spätere Epochen hin.
Das Gedicht besteht aus sechs Strophen a 4 Verse und ist in alkäischen Odenstrophen verfasst, was darauf schließen lässt, dass das lyrische Ich ernsthaft durch sein angesprochenes Topos ergriffen und beschäftigt ist, denn es handelt sich um eine antike und insgesamt feste Form. Sie besteht aus zwei alkäischen Elfsilbern, die metrisch identisch sind. Nach zwei jambischen Versfüßen und einer Senkung gibt es eine Zäsur1, einen Daktylus sowie einen vollständigen und unvollständigen Trochäus. Betonte und unbetonte Silben sind nicht alternierend. Der dritte Vers der Strophe ist ein Neunsilber, der vierhebig jambisch ist und eine überzählige Senkung am Ende hat. Der letzte Vers ist ein Zehnsilber, der aus zwei Daktylen und zwei Trochäen gebildet wird. Diese alkäische Odenstrophe besteht demzufolge aus vier Versen, wobei alle, außer der letzte, auftaktig sind.
Es beginnt mit dem traditionellen Bild des aus der Ferne heimkehrenden Seefahrers. Durch die Voranstellung des Adjektivs „Froh“ (V. 1) und des Verbes „geerntet“ (V. 2) wird die positive Grundstimmung hervorgehoben. Dem Seefahrer steht das lyrische Ich antithetisch gegenüber. Dieses scheint nicht in die Heimat zurückzukehren zu können, da es nur „Leid“ (V. 4) erfahren hat. Das irreale Satzgefüge mit „käm“ (V. 3) und „hätt“ (V. 3) verstärkt die Unmöglichkeit einer glücklichen Heimkehr und lässt sie lediglich als Wunsch erscheinen.
Die Strophen zwei bis fünf bilden eine thematische Einheit, indem sich das lyrische Ich die Heimat in Einzelbildern vorstellt, wodurch eine Art Collage entwickelt wird. Landschaft und Familie werden anschließend genauer betrachtet, wieweit sie dem Sprecher Ruhe geben können. So werden in der zweiten Strophe Flussufer und Wälder als Erzieher personifiziert, die Ruhe bieten könnten (vgl. V. 5ff). Mit der Frage „Still ihr der Liebe Leiden (…)?“ (V. 6ff) wird einerseits das Leid der ersten Strophe als Schmerz einer unglücklichen Liebe eingegrenzt, andererseits wird durch die Frageform ein Zweifel deutlich, ob die Rückkehr in die Heimat wirklich eine Befreiung von dem Leiden bringen kann.
In der dritten Strophe versichert sich der Sprecher, dass er bald wieder in die Heimat komme. Nun werden die Erinnerungsbilder intensiver durch Attribute wie „kühlen“ (V. 9), „traute“ (V. 11) und drei parallel geformte Relativsätze. Der gleichmäßige Satzbau betont eine gewisse Entspannung des lyrischen Ichs.
Durch die Apostrophe2 „Ihr treugebliebenen!“ (V. 17), die durch eine Exclamatio hervorgehoben wird, kommt die Doppeldeutigkeit zum Ausdruck, denn sie haben zwar kein Leid erfahren, jedoch fand bei diesen kaum ein Entwicklungsprozess in der Fremde statt. Die Konjunktion „aber“ (V. 17) und die Anapher3 „ich weiß, ich weiß“ (V. 17), welche mit einer Wiederholung intensiviert wird, verdeutlichen den Widerspruch zwischen der momentanen realistischen Einschätzung der Situation und der Illusion, wie in der ersten Strophe dargestellt. Anschließend wird das lyrische Ich durch das Erkennen einer unmöglichen Heilung, emotional eingeschränkt. Dies wird deutlich am Beispiel der Stellung der Verneinung „nicht“ (V. 18) am Ende des Verses, die somit betont wird und dies dem Leser länger im Gedächtnis bleibt. Auch wird versichert, dass das „Lieb Laid“ (V. 18), welche eine Alliteration4 darstellt und dadurch hervorgehoben wird, nicht von Menschen geheilt werden kann. Schließlich fühlt es sich ungeborgen, was durch die Unlust zum Singen eines „Wiegensangs“ unterstrichen wird. Des Weiteren kann man leicht an der recht negativen Bezeichnung des Menschen als „Sterbliche“ (V. 20) die Tristheit und Unterwürfigkeit zu den Göttern des Sprechers erkennen, da hier die Endlichkeit dieser betont wird.
In der sechsten Strophe des Gedichts steht die Kausalität und damit die Nachvollziehbarkeit im Vordergrund. So ist hier der Satzbau hypotaktisch aufgebaut und die Verse werden mit Konjunktionen eingeleitet. Um die Situation zu verallgemeinern wird statt mich „uns“ (V. 21) verwendet. Die Metapher5 des himmlischen Feuers spricht jedoch wieder für die Erfahrung des Leids, dass sozusagen gottgewollt ist und als Geschenk betrachtet wird (vgl. V. 21f). Hier wird die Vernunft des Menschen betont, so ist es ein „Sohn der Erde“ (V. 19). Am Ende bekennt es den Wunsch nach der Stagnation der Situation und akzeptiert seine Schöpfung, die vorgibt, dass Liebe Leid bedeutet. Schließlich müssen sich die Emotionen fügen.
Abschließend ist anzufügen, dass das Thema „Heimat“ hoch aktuell ist, ob durch Anthologien in der Literatur oder durch die „Flüchtlingskrise“ in der Politik und Gesellschaft. Hölderlin wählte eine zeitlose Thematik, die sehr stark mit Identität verknüpft ist und somit jeden mehr oder weniger stark betrifft.