Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das zu analysierende Gedicht „Der Falke“ wurde von Achim von Arnim verfasst und im Jahre 1806 in der Gedichtsammlung „Des Knaben Wunderhorn“ veröffentlicht.
Das Gedicht besteht aus sieben Strophen mit jeweils vier Versen, also insgesamt 28 Versen. Das Reimschema ist ein regelmäßiger Kreuzreim nur in der ersten Strophe ist das Reimschema nicht eingehalten, hier reimen sich nur der zweite und der vierte Vers. Als Metrum1 lässt sich ein Jambus identifizieren.
Betrachten wir zunächst den Inhalt des Gedichts.
Das gesamte Gedicht lang sinniert das lyrische Ich über ich von der Situation, das es „ein wilder Falke“ (V. 1) sein möchte. Sei dies erreicht würde das lyrische Ich losfliegen und sich vor dem Haus seines Grafen niederlassen (vgl. V. 3f.).
In der zweiten Strophe beschreibt das lyrische Ich dann weiter, dass es mit seinen „starken Flügel[n]“ (V. 5) an die Tür seines Liebchens schlagen möchte, sodass diese aufgeht und sie herauskommt (vgl. V. 6ff.).
Mit dieser möchte es dann, wie in der folgenden Strophe beschrieben, über die Heide hinweg fliehen (vgl. V. 9ff.). Weiter führt das lyrische Ich aus, dass es dann die Haare der Liebsten mit dem Schnabel packen würde und sie auf eine Anhöhe tragen würde.
Auf dieser Anhöhe wäre, beschrieben in der fünften Strophe, ein „schönes Nest“ (V. 18) in welchem er mit seinem Liebchen verweilen würde. In dieser Strophe wird zudem deutlich, dass das lyrische Ich festgesetzt (vgl. V. 20), also gefangen oder ähnliches, hier lässt sich nur mutmaßen, ist.
In der sechsten Strophe beschreibt das lyrische Ich, dass der Graf ihn, in Gestalt des Falken, nicht totschießen könne, da er sonst seine Tochter verlieren würde (vgl. V. 22ff.). Hier wird also deutlich, dass es sich bei dem im zweiten Vers beschriebenen „Liebchen“ (V. 8) um die Tochter des Grafen handeln muss.
Dadurch, dass das lyrische Ich jedoch festgesetzt ist, nicht fliegen kann, sind ihm die „Schwingen / gelähmt“ (V. 25f.) und auch wie „hell [er] ihr auch sing[t]“ (V. 27) , schämt sich sein Liebchen. Hier wird klar, dass es sich um eine einseitige Liebesbeziehung handelt. Das lyrische Ich ist zwar in die Tochter des Grafen verliebt, diese erwidert diese Liebe jedoch nicht oder zeigt diese nicht öffentlich.
Das ganze Gedicht stellt eine Art Wunschdenken dar. Das lyrische Ich stellt sich vor, es könne ein Falke sein. Ein Falke ist ein Greifvogel, also ein Raubvogel, der auf Menschen schon seit hunderten von Jahren eine besondere Wirkung hat. Ein Falke symbolisiert zum einen Gefahr, Bedrohung und Überwachung, zum anderen aber auch Freiheit, Stärke, Maskulinität, Intelligenz und Weitsichtigkeit. Hier werden also Wünsche und Eigenschaften deutlich, die das lyrische Ich gerne hätte und von denen sie glaubt, sie würden zu Zuneigung von Frauen führen. Das lyrische Ich beschreibt sich, im Körper eines Falken, als „wild[…]“ (V. 1) und „stark[…]“ (V. 5).
Das erste was das lyrische Ich machen würde, wäre es ein Falke, wäre zu dem Haus seines Grafen zu fliegen. Dies zeigt zum einen, wie groß seine Zuneigung zur Tochter des Grafen ist, zum anderen wird eine große Abhängigkeit des lyrischen Ichs vom Grafen deutlich, was durch die Beschreibung „meines Grafen“ (V. 4) verdeutlicht wird. Die Beschreibung könnte auch darauf zurückzuführen sein, dass das lyrische Ich sich im Herrschaftsgebiet des Grafen befindet.
In der zweiten Strophe wird beschrieben, dass das lyrische Ich mit seinen „starken Flügel[n]“ (V. 5) an die Tür von der Tochter des Grafen schlagen, sodass der Riegel „springen“ (V. 7) sollte und sie hervortreten könne. Dies zeigt, dass die Tochter des Grafen eingesperrt ist und ihr Zimmer oder das Haus des Grafen nicht ohne weiteres verlassen kann. Auch das lyrische Ich in seiner normalen, menschlichen Form, kann sie nicht aus ihrem Haus holen.
In der dritten Strophe spricht das lyrische Ich direkt die Tochter des Grafen an und fragt sie, ob sie denn nicht „die Schlüssel klingen“ (V. 9) höre, ihre Mutter sei nicht weit. Hier wird klar, dass die Mutter die Schlüssel hat, sie hat also die Kontrolle über die Freiheit der Tochter. Er bittet nun die Tochter mit ihm zu fliehen.
In der vierten Strophe werden die Fluchtpläne des lyrischen Ichs genauer beschrieben. Dieser möchte die Haare des Mädchens mit seinem Schnabel greifen und dann mit ihr davonfliegen und sie zu einer „Höhn“ (V. 16) bringen, hier ist vermutlich ein hochgelegener Ort gemeint. In dieser wird auch das Mädchen kurz charakterisiert, es wird deutlich, dass sie ihre blonden Haare geflochten in einem Zopf trägt (vgl. V. 15).
In der darauffolgenden Strophe wird die „Höhn“ (ebd.) weiter ausgeführt. Sie wird als „schönes Nest“ (V. 18), passend zur Vogelmetapher2, beschrieben. Hier kommt die Natur zum Vorschein. Dadurch, dass das lyrische Ich mit der Tochter des Grafen zu dieser „Höhn“ (ebd.) fliehen möchte wird dieser als Rückzugsort charakterisiert. Dies lässt sich als typisches Motiv für die Epoche der Romantik identifizieren, die Natur gilt als Ort der Besinnung und bietet Möglichkeiten zur persönlichen Entfaltung. Diese Möglichkeit kann das lyrische ich jedoch nicht wahrnehmen, wie zuvor beschrieben.
Wie stark das Verlangen des lyrischen Ichs nach Zuneigung der Tochter des Grafen und Zweisamkeit ist wird auch durch darauffolgende Strophe deutlich. Hier werden seine Überlegungen trotz der vorher beschriebenen Hoffnungslosigkeit seines Unterfangens konkretisiert. Er konstruiert die Reaktion des Grafen auf die Flucht der Beiden. Dieser könne ihn, in Gestalt eines Falken natürlich nicht erschiessen, dieser würde ja seine Tochter in Gefahr bringen.
In der letzten Strophe fasst das lyrische Ich seine momentane Lage zusammen. Dadurch, dass er momentan festgesetzt ist, sind seine „Schwingen / [...] allesamt gelähmt“ (V. 25f.), hiermit ist seine momentane Handlungsunfähigkeit gemeint. Des Weiteren sind die Avancen, die das lyrische Ich der Tochter des Grafen macht, hier charakterisiert mit singen (vgl. V. 27), der Angebeteten peinlich, sie schämt sich dafür (vgl. V. 28).
Das ganze Gedicht ist geprägt von einer großen Sehnsucht was typisch für die Epoche der Romantik ist. Sehnsucht und der Wunsch nach Liebe und Zuneigung sind typische Themen für die Epoche.
Abschließend lässt sich sagen, dass das Gedicht eine Art Träumerei darstellt, es wird eine Art Gedankenexperiment durchgeführt. Dies Träumerei wird von Sehnsucht und Unzufriedenheit über die eigene Person deutlich.