Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das zu analysierende Gedicht „Der Einsiedler“ wurde ihm Jahre 1835 von Joseph von Eichendorff veröffentlicht. Das Gedicht lässt sich epochentechnisch der Epoche der Romantik zuordnen.
Das Gedicht beschreibt den Beginn der Nacht aus den Augen des lyrischen Ichs. Die Beschreibung lässt jedoch auch Rückschlüsse und Betrachtungen über das Lebensende und die Vergänglichkeit des irdischen Lebens und die Besinnung auf das Leben in der Nachwelt, ziehen.
In der ersten Strophe wird der Einbruch der Nacht geschildert. Der lyrische Sprecher ruft in der ersten Strophe die Nacht an. Die Nacht wird als „Trost der Welt“ (V.1) charakterisiert. In der nächsten Strophe wird der Sonnenuntergang und das damit verbundene Auftreten der Nacht beschrieben. Die Beschreibung „Die Lüfte […] schlafen“ (V.3) zeigt die Stille der dargestellten Situation. Diese ist so still, das sogar kein Wind mehr weht. Im folgenden Vers wird „ein Schiffer“ (V.4) beschrieben, der „wandermüd[…]“ (V.4) ist. Der Seemann singt, wie in der nächsten Strophe beschrieben, ein Abendlied, das an Gott gerichtet ist (vgl. V.6).
In der zweiten Strophe reflektiert das lyrische Ich über das eigene Dasein und über das Ablaufen der Lebenszeit. Das lyrische Ich beschreibt sich als einsam. Dieser Prozess wird durch das Vergehen der Lebenszeit weiter verstärkt. Trost findet das lyrische Ich bei der Natur, wenn es alleine „beim Waldesrauschen“ (V.11) sitzt.
In der dritten Strophe wird deutlich, dass das lyrische Ich sich nach Ruhe und Erholung von einem Arbeitstag sehnt und das der Abend naht. Des Weiteren tätigt das lyrische Ich einen Ausblick auf die Endlichkeit des Daseins und das unendliche Leben was darauf folgt.
Das Gedicht besteht aus drei Strophen mit jeweils sechs Versen. Als Reimschema lässt sich ein Schweifreim erkennen, der sich durch das ganze Gedicht zieht. Als Metrum1 liegen vier- und dreihebige Jamben vor. Die Hebungen sind als 4-4-3, 4-4-3 und sind regelmäßig. Die Regelmäßigkeit des Reimschemas und das regelmäßige Jambus zeigen den Wunsch nach Einklang und Ordnung seitens des lyrischen Ichs.
Die erste und die dritte Strophe umschließen die zweite Strophe durch einen parallelen Aufbau der ersten Verse der Strophe. So wiederholt sich in der ersten und letzten Strophe die Phrase „Trost der Welt, du stille Nacht“ (V.1; V.13).
Die Beschreibung der Nacht ist sehr persönlich, was schon im ersten Vers deutlich wird. Er ruft die Nacht direkt an und personifiziert diese. Das lyrische Ich redet die Nacht in der zweiten Person Singular an, was eine Nähe zwischen lyrischem Ich und der Nacht suggeriert. Das Gedicht wirkt durch diese persönlichen Ansprache wie ein Gebet an eine höhere Macht, wie zum Beispiel Gott.
Die positive und tröstende Wirkung wird durch die Verwendung von positiv konnotierten Adjektiven deutlich. Diese Adjektive sind zum Beispiel „sacht“ (V.2), „wunderbar“ (V.10) und „durchfunkelt“ (V.18).
Die ruhige, ja fast idyllische Stimmung des Gedichts wird auch durch akustische Wahrnehmungen verstärkt. So wird das Lied des Schiffers (V. 5f.) oder auch das Rauschen des Waldes (vgl. V.11) beschrieben. Die Lebenssituation des lyrischen Ichs wird in der ersten Strophe durch eine Meer-Metapher2 verdeutlicht. Das lyrische Ich ist „wandermüd“ (V.4), was man als lebensmüde oder auch alt deuten könnte. Der Schiffer singt ein Abendlied, der Abend könnte als Lebensabend gesehen werden. Der Schiffer naht sich also so gesehen seinem Lebensabend. Der Hafen, den er erreicht, könnte, da er mit „Gottes Lob“(V.6) in Verbindung gebracht wird, als das Ende des Lebens und das damit verbundene Leben bei Gott, im Himmel bezeichnet werden. Das nahende Lebensende und auch die zuvor beschriebene Metaphorik werden in der letzten Strophe noch einmal aufgegriffen. Hier wird beschrieben, dass der „Tag [das lyrische Ich] müd gemacht [hat]“ (V.14). Das „weite Meer“ (V.15) schon dunkel wird. Dies kann als Beschreibung des nahenden Lebensabend gesehen werden. Dieses kommt so schnell und so unaufhaltsam wie ein Sonnenuntergang.
Am Anfang der zweiten Strophe findet ein Vergleich zwischen dem Verlauf der Jahre und dem Ziehen der Wolken statt. Das Ziehen der Wolken ist vom Mensch nicht beeinflussbar, genau wie das nahende Lebensende. Hier wird also wieder einmal die Vergänglichkeit des Lebens in den Vordergrund gestellt. In der dritten Strophe wird des Ende des Tages geschrieben, der zu Beginn des Gedichts von dem lyrischen Ich angerufen wurde. Das lyrische Ich ist vom Tagesgeschehen müde (vgl. V.14) und möchte sich von „Lust und Not“ (V.16) ausruhen bis die Sonne wieder aufgeht.
Dadurch, dass das auf den Abend folgende „Morgenrot“ (V.17) als ewig (vgl. V.17) beschrieben wird wird deutlich, dass die Beschreibung des Abends Doppeldeutig ist. Zum Einen wird das Ende eines Arbeitstages beschrieben, zum
Anderen wird auch das Ende des Lebens beschrieben.
Auffällig bei dem Gedicht ist die mehrschichtige Verwendung von Tageszeiten. Zunächst wird die Tageszeit als Prozess beschrieben, der sich durch das gesamte Gedicht zieht. Es wird jedoch auch das Lebensende beschrieben.
Das prägnanteste Motiv das sich durch das Gedicht zieht ist das der Nacht. Die Nacht wird in vielerlei Hinsicht charakterisiert. Zum einen wird sie als einfache Tageszeit, als Ort des Rückzugs und der Besinnung, aber auch als Ende des Lebens dargestellt.
Das Gedicht kann als Reflexion eines Menschen gesehen werden, der am Ende seines Lebens steht und nun merkt, wie schnell seine Lebenszeit verrinnt und das dieser Prozess unaufhaltsam ist und das, dargestellt durch das Meeres-Motiv, das lyrische Ich dies auch nicht beeinflussen kann. Es fällt auf, dass das lyrische Ich seinem Lebensabend gelassen gegenübersteht und Ruhe und Besinnung in der Natur findet. Des Weiteren wird die Sehnsucht des lyrischen Ichs nach einem überirdischen Leben deutlich, was durch die Beschreibung des „ewge[n] Morgenrot[s]“ (V.17) offenkundig wird.
Das Gedicht lässt sich klar der Epoche der Romantik zuordnen. Dies liegt vor allem an der Entstehungszeit des Gedichts und an den im Gedicht verwendeten Motiven, wie zum Beispiel das Motiv der Nacht, der Bezug zur Natur und die Hinwendung zu Gott beziehungsweise die Vorbereitung auf das Leben nach dem Tod.