Drama: Dantons Tod (1835)
Autor/in: Georg BüchnerEpoche: Vormärz / Junges Deutschland
Inhaltsangabe/Zusammenfassung, Szenen-Analyse und Interpretation
Die Szene entstammt dem dritten Akt des Dramas „Dantons Tod“, das von Georg Büchner verfasst wurde und 1835 erschienen ist. Es spielt im Jahr 1794 vor dem Hintergrund der Französischen Revolution. Am Beispiel der Jakobinerherrschaft demonstriert Büchner das Umschlagen ursprünglich freiheitlicher Ideale in eine Willkürherrschaft und stellt angesichts einer sich verselbstständigenden Geschichtsdynamik die Handlungsmöglichkeiten des Einzelnen in Frage. Außerdem stößt er den Leser darauf, wie leicht sich ein Volk von großen Rednern beeinflussen lässt.
In der neunten Szene des dritten Aktes treten Danton und Camille auf. Ihr Gegenspieler ist der öffentliche Ankläger Fouquier. Außerdem anwesend sind Zuhörer. Es ist, nachdem die erste Anhörung abgebrochen wurde, die zweite Anhörung für Danton vor dem Revolutionstribunal, welches ihn anklagt, Hochverrat begangen zu haben. In der vorangegangenen Szene erfährt der Leser, dass Fouquier von Amar ein Papier erhält, welches die anwesenden Jakobiner sehr siegessicher, in Bezug auf Dantons Verurteilung stimmt.
Man steigt als Leser direkt in die Anhörung ein, in welcher sich Danton gerade mit einem Angriff an die Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses (Z. 4 Dezemvirn) versucht zu verteidigen. Dieser Angriff Dantons bildet den ersten Abschnitt der Szene, gefolgt vom zweiten Abschnitt, indem Fouquier, Amar und Vouland auftreten. Fouquier liest den Inhalt, des ihm in Szene Acht überreichten Papiers, vor. Mit dem Ergebnis, dass bei der weiteren Anhörung, nicht wie von Danton verlangt, die Ankläger Dantons nicht vor dem Gericht erscheinen. Obwohl Danton die Zuhörer auf seiner Seite hat, hat er nun keinerlei Einfluss mehr auf den Verlauf der Verhandlung. Er und Camille werden abgeführt. Nun ist klar, dass Danton sterben wird.
Wie schon in Szene Vier des dritten Aktes greift Danton seine Ankläger direkt an. Nach dem Motto: „Angriff ist die beste Verteidigung“. Er verlangt eine Untersuchung um sich und seine Ankläger mit der Hoffnung, dass schmutzige Geschäfte seitens der Ankläger ans Tageslicht kämen. Diese Hoffnung ist nicht unberechtigt im Rückblick auf die Manipulationsversuche von Fouquier und Hermann in Akt Drei, Szene Zwei. Er ist sich des Erfolges einer solchen Untersuchung sicher („wir haben wichtige Entdeckungen zu machen“). Mit der üblichen brutalen Umschreibung in Zeile 6 und 7, macht er klar, dass er durch reichlich Überlegen und Nachdenken („Zitadelle der Vernunft“) die Wahrheit ans Licht bringen werde und seine Gegner, also die Jakobiner, besiegen könne („Feinde zusammen“).
Daraufhin treten Fouquier, Amar und Vouland ein. Fouquier spricht für den Konvent. Anders als Robespierre gebraucht er das Wort Gesetz in seinem herkömmlichen Sinne und nicht als Gesetz, welches das Volk repräsentiert. Der Konvent gibt dem Tribunal das Recht, („ermächtigt“) die Verhandlung um Danton und seine Anhänger zwar weiterzuführen, allerdings ohne dass Danton vor dem Konvent oder seinen Anklägern sprechen darf („ohne Unterbrechung fortzusetzen“). Begründet wird diese Entscheidung mit der in der nahen Vergangenheit verübten Taten von Anhängern Dantons. Ihnen wird Manipulation („Dantons und Camilles Weiber Geld unters Volk werfen“), Meuterei („Spuren von Meuterei“) und Verschwörung vorgeworfen. Hier bezieht sich das Tribunal auf tatsächlich geschehene Vorkommnisse, welche ihnen allerdings nicht schaden hätten können. So wird beispielsweise der Ausbruchsversuch des Generals Dillon in Akt Drei Szene Fünf verraten und somit unschädlich gemacht. Durch eine Anapher1 (Z.11, Z.11, Z.14 „In Betracht“) wird der Aufzählung nochmal mehr Nachdruck verliehen. Nach dieser Ansprache Fouquiers ist der weitere Verlauf des Dramas besiegelt. Durch die strikte Durchführung der Untersuchung wird Danton seine Macht der Worte nicht mehr einsetzen können, welche seine einzige Chance war, sich und seine Anhänger zu befreien. Daher ist dieser Zug der Ankläger sehr geschickt. Sie verhindern, dass die Zuhörer, welche sowieso bereits auf Dantons Seite stehen, eine Untersuchung fordern, welche sie mit Sicherheit ebenfalls in Schwierigkeiten gebracht hätte. Außerdem können sie nun Danton ohne große Mühe beseitigen.
Danton antwortet daraufhin mit einer rhetorischen Frage. Er will wissen, ob er dem Tribunal, dem Volk oder dem Nationalkonvent jemals Hohn gesprochen habe. Damit geht er auf den letzten Satz Fouquiers ein, indem dieser die Dantonisten beschuldigt, die Ehrfurcht vor dem Gericht verloren zu haben. Danton kennt die Antwort auf seine Frage. Er muss etwas sagen, um auf Fouquier zu antworten. Da er von den ganzen Anschuldigungen nichts weiß, da er die Zeit im Gefängnis verbracht hat, muss er sich auf den einzigen Satz, den er versteht, beziehen. Immer noch ist das Volk auf seiner Seite, es antwortet mit „Nein! Nein!“. Camille, der schon seit einiger Zeit am emotionalsten reagiert, (Akt Drei, Szene Eins) ist nun vollständig zerstört. Durch die Erwähnung seiner Frau vermutet er, dass sie für ihre Tat büßen muss („sie wollen meine Lucile morden“). In Akt Zwei, Szene Drei erkennt man Camilles und Luciles unbedingte seelische Verbundenheit. Diese würde durch den Tod einer der beiden zerstört werden. Für Camille ist das unvorstellbar.
Danton erkennt, dass er verloren hat („eines Tages wird man die Wahrheit erkennen“). Durch die Ungerechtigkeit seines Todes sieht er Frankreich vor schweren Zeiten stehen („großes Unglück über Frankreich“). Er bezeichnet die Jakobinerherrschaft als Diktatur. Er personifiziert sie und zeigt auf, dass sie sich nun gezeigt hat („Schleier zerrissen“) und hoch erhobenen Hauptes ihre Opfer fordert („Stirne hoch; schreitet über unsere Leichen“). Er erkennt, wem er seinen Tod zu verdanken hat. Er beschimpft sie als feige Mörder und Raben. Unterstützt wird diese Anklage durch eine Anapher (Z.26 „seht da“).
Er klagt die Jakobiner derselben Tat an, wie diese ihn anklagten. Er behauptet, ihr Plan sei, das Volk („die Republik“) durch viele Hinrichtungen („im Blut“) blind für die wahren Feind zu machen. Dadurch werde es anderen Ländern leichtfallen, Frankreich zu erobern (Z. 28,29). Er wirft die Frage auf, wie viele noch unter dem Deckmantel der Freiheit sterben müssten (Z.30). Die Verbesserungen, die das Volk fordert, treten nicht ein. Stattdessen werden sie mit Hinrichtungen abgespeist (Z. 30-32). Dabei benutzt Danton dieselbe Formulierung wie ein Bürger (Akt Eins, Szene Zwei) auf Seite zehn (Ihr…Sie…). Mit dieser Ansprache hat Danton die Zuhörer vollkommen hinter sich gebracht. Sie haben seine Anschuldigungen verstanden und skandieren „Es lebe Danton, nieder mit den Dezemvirn“. Eine eindeutige Aussprache für Danton und gegen den Wohlfahrtsausschuss. All das bringt allerdings nichts, da Danton und seine Anhänger aus dem Anhörungssaal geführt werden.
Obwohl das Volk hinter Danton steht, wurde durch das Auftreten von Fouquier klar, dass Danton verurteilt wird. Er hat, wie zu Ende von Akt Drei, Szene Vier, am Anfang die Oberhand in der Sitzung. Erkennt allerdings durch Fouquier, dass er verloren hat und versucht, seine Ankläger durch eigene Anschuldigungen mit sich zu ziehen. Die logische Konsequenz hieraus wird sein, dass Danton und seine Anhänger in einer der folgenden Szenen hingerichtet werden. Möglicherweise auch die Frauen von Camille und Danton.