Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Sonett1 „Vergänglichkeit der Schönheit“ aus der Epoche des Barock, geschrieben von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, befasst sich, wie der Titel schon sagt, mit dem Vanitas-Motiv und dem daran anknüpfenden Alterungsprozess der Frau.
Das Gedicht besteht aus zwei Quartetten und zwei Terzetten und besitzt demnach 14 Verse und 4 Strophen. Das Metrum2 des 6-hebigen Jambus gibt die wechselnde Kadenz zwischen männlich-stumpf in dem ersten und letzten Vers der Quartette sowie jeweils dritten Vers der Terzette und ambivalent in den weiblich klingenden Kadenzen3 der übrigen Verse an. Dies liegt in der unterschiedlichen Silbenanzahl begründet, welche aufgrund des Reimschemas von umarmenden Reimen in den Quartetten und Schweifreim in den Terzetten entsteht. Bei der sprachlichen Gestaltung orientiert sich der Dichter insbesondere an Wörtern aus dem Bedeutungsbereich des Todes und der menschlichen Existenz, die er als rhetorische Mittel in seiner manieristischen Sprachgestaltung nutzt.
Die erste Strophe beschreibt die unmittelbare Gegenwart des Todes. Personifiziert greift dieser „mit seiner kalten Hand“ (V. 1) nach dem Leben der Menschen. Die Kälte dieser Hand bestimmt die Stimmung des ganzen folgenden Gedichts, da sie vergleichbar mit dem Verlust der Körperwärme beim Eintreten des Todes ist. Das Zeitmotiv des zweiten Verses und der Ausdruck „endlich“ (V. 2) verweisen darauf, dass das lyrische Ich den Tod als eine Erlösung ansieht und das Leben lediglich als eine Bewährungsprobe für das bessere Leben im Jenseits sieht. Dies lässt darauf schließen, dass das lyrische Ich auf die Glückseligkeit bei Gott hofft und dementsprechend eine christlich-orientierte Lebenseinstellung vermittelt. Daraus folgt eine klagende Spachhaltung, denn das lyrische Ich wartet nur noch auf sein eigenes Vergehen. Obwohl sich die direkte Ansprache „dir“ (V. 2) auf eine im Gedicht angesprochene Frau bezieht, wird auf diese Weise die Anschauung des lyrischen Ichs unmittelbar auf den Leser projiziert und dieser von der Melancholie des Gedichts eingenommen. Diese Stimmung wird insbesondere durch die herrschende Antithetik „warmer Schnee wird werden kalter Sand“ (V. 4) verstärkt.Die Antithetik ist ein typisches Stilmittel des Barock, das seinen Ursprung in dem radikalen Gegensatz von carpe diem und memento mori hat. Mit dem Tod wird nicht nur „der liebliche Korall der Lippen (…) verbleichen“ (V. 3), sondern der ganze Körper wird seine Farbe verlieren und zu einer schneeweißen Statur gefrieren.
Mit dem zweiten Quartett setzt die Beschreibung der körperlichen Veränderungen in verschiedenen Lebensabschnitten ein. Mit der Zeit verlieren die Augen ihr natürliches Glänzen und die Sehkraft wird immer schwächer, wie aus der Metapher4 „der Augen süsser Blitz (…) werden zeitlich weichen“ (V. 5-6) hervorgeht. Darüber hinaus entwickeln sich motorische Fähigkeiten zurück und der Verlust der „Kräfte deiner Hand“ (V. 5) spiegelt die Gebrechlichkeit der Gliedmaßen wider. Nur „das Haar, das itzund kann des Goldes Glanz erreichen, Tilgt endlich Tag und Jahr als ein gemeinsames Band“ (V. 7-8). Das Haar steht als Zeichen unserer Eitelkeit, welche sich wie eine Schlinge um unser Leben legt. Es verbindet die verschiedenen Altersstufen und ist daher ebenfalls als metaphorisches Bild für das Band des Lebens zu sehen, welches wir vom Tag der Geburt bis zu unserem Tod spannen.
Die Terzette setzen diesen Verfall fort und konzentrieren sich auf den Verlust der weiblichen Attraktivität, „denn opfert keiner mehr der Gottheit deiner Pracht“ (V. 11). Diese Hyperbel5 ist eine der zentralen Aussagen des Gedichts, da sie die Überschrift aufgreift und explizit auf die Vergänglichkeit der Schönheit hinweist. Da niemand mehr sein Interesse an der alten Dame bekundet, werden Anstandsformen und das Benehmen wie „der wohlgesetzte Fuß“ und „die lieblichen Gebärden“ (V. 9) zu unwesentlichen Nichtigkeiten, denen keiner Aufmerksamkeit schenkt. In dem Maße wie wie der Verfall der äußeren Schönheit fortschreitet, gerät die Frau in vollkommene Vergessenheit und zerfällt in Gedanken bereits „zu Staub“ (v.10).
Um dem Alterungsprozess zu entgehen bittet das lyrische Ich um den Tod „dies und noch mehr als dies muß endlich untergehen“ (V. 12). Diese Weltentsagung ist der einzige Ausweg aus dem irdischen Jammertal, welches auf äußere Schönheit fixiert ist und durch Eitelkeit die inneren Werte der Menschen vergisst. Im Jenseits hingegen „kann allein zu aller Zeit (dein Herz) bestehen“ (V. 13). Hiermit ist nicht das Herz als Organ gemeint, sondern als Sitz der Seele und Charakterstärke, welche auch ohne die Hülle des Körpers in einem Leben nach dem Tod bestehen. Die Seele wird mit der Unvergänglichkeit und gleichzeitig mit der Pracht eines „Diamant(en)“ (V. 14) verglichen, der bei Gott zu glänzen beginnt. Denn im Jenseits wird die Schönheit neu bemessen. Ein Leben im Gottgefallen wird im Jenseits belohnt, da die Seele gemeinsam mit der Zeit als einzige auf Erden die Grenze des Todes überschreiten kann.
Deshalb ruft das lyrische Ich in seinem Gedicht zum memento mori (Gedenke des Todes) auf. Das irdische Leben ist der Weg zu einem Leben im Antlitz Gottes, welcher uns mit dem Tod aus dem irdischen Jammertal befreit.
Die dargestellte Thematik ist auch in unserer heutigen Gesellschaft noch aktuell und vielleicht sogar als schlimmer zu beurteilen. Menschen werden täglich aufgrund ihres Aussehens marginalisiert und aus einer von Trugbildern verführten Gemeinschaft ausgeschlossen, denn wir leben in einer Parallelgesellschaft mit hunderten von verschiedenen Gruppierungen, die sich aufgrund von individuellen Eigenschaften wie Herkunft, Aussehen und Bildung formen. Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau appelliert mit seinem Gedicht an die Vernunft des Lesers, über solche Nichtigkeiten hinweg zu schauen und stattdessen Charaktereigenschaften und Tugenden zu achten.