Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Beschreibung vollkommener Schönheit“, verfasst von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau und veröffentlicht im Jahr 1670, handelt von der Beschreibung einer perfekten Frau, von welcher das lyrische Ich scheinbar abhängig ist. Das Gedicht macht deutlich, dass trotz aller Äußerlichkeiten nur das Innere des Menschen zählt und dass man sich nicht von Äußerlichkeiten täuschen lassen sollte.
Da das Gedicht aus zwei Quartetten mit jeweils vier Versen und zwei Terzetten mit jeweils drei Versen besteht, handelt es sich hierbei um ein Sonett1. Das Reimschema der Quartette ist ein umarmender Reim (abba,abba), während bei den Terzetten ein Schweifreim (cdd,cee) gewählt wurde. Als Metrum2 liegt ein Alexandriner vor, welcher dem Leser ein frisches und belebendes Gefühl vermittelt. Die Kadenzen3 im Gedicht sind nicht durchgängig, sie wechseln zwischen weiblichen und männlichen Kadenzen3. Auffällig ist, dass das gesamte Gedicht aus nur einem Satz besteht und immer mit Subjektiven beginnt. Das einzige Prädikat am Satzanfang findet man in dem 14. und damit letzten Vers.
In der ersten Strophe beschreibt das lyrische Ich die Körperteile bzw. das Aussehen der beschriebenen Frau, wie z. B. die Haare, die Lippen, die Zähne, die Zunge und die Brüste. Die Körperteile werden von dem Autor Personifiziert (vgl. V. 1 „ein haar… spricht“, V. 3 „ein zünglein… spricht“), diese drücken aus, dass die Frau sehr eigenständig ist. Sie agiert durch jedes Körperteil, auf welche durch die Anapher4 in den ersten Wörtern von Vers eins bis drei, aufmerksam gemacht wird. Hier fällt auch auf, dass immer eine Aufzählung stattfindet, die sich steigert (V. 1 „Ein“, V. 2 „Ein“, V. 3 „Ein“, V. 4 „Zwo“), dieser Klimax5 erweckt den Eindruck, dass dem Autor immer weitere Dinge einfallen, die er an seiner Angebeteten liebt. Das Phänomen zieht sich über die ersten drei Strophen fort. Die verwendeten Zäsuren5 trennen die Körperteile jeweils von ihrer erläuterten Funktion (V. 2 „Ein mund/ der rosen führt“), wobei auch unter den Quartetten und Terzetten unterschieden wird. In den Quartetten werden die äußerlichen Eigenschaften beschrieben, während der Autor in den Terzetten auf die inneren Einstellungen Bezug nimmt. Die Angebetete wird mit Orientierung an dem damaligen Schönheitsbild dargestellt. Daher werden mit einer Metapher7 ihre Lippen als „rosen“ (V. 2) dargestellt und ihre Zähne als „perlen“ (V. 2).
In der zweiten Strophe werden der Hals, der Blick, die Wangen und die Arme beschrieben, welche manche Männer in ihren Bann zögen, was beschreibt, dass sie dem Schönheitsideal entsprach und dementsprechend viele Verehrer hatte, die ihr verfallen waren. Bei der Beschreibung des Halses wird mit dem Neologismus8 „Schwanen-schnee“ (V. 5) auf das Schönheitsideal Bezug genommen. Ein langer und weißer Hals, wie der eines Schwans, wurde als schön empfunden. Durch eine Alliteration9 in Vers fünf („[…] weit weit zurück sticht“) wird betont und noch mal verstärkt, wie schön und lang der Hals der Angebeteten ist. Die Metapher in Vers acht („Ein Blick / der Blitze führt“), leitet die Stimmung langsam um. Ein Blick, der blitze führt, kann zum einen für den aufgeweckten Verstand der Frau sprechen, zum anderen aber auch, dass sie mit ihren Blicken verletzen kann. Wenn man zum zweiten Teil des siebten Verses übergeht, wird dies noch deutlicher („männer niederlegt“). Hier schlägt die Stimmung um, und man erkennt den Kummer, den die Frau dem Autor bereitet, und dass sie sehr stark ist und ihn dominiert. Es könnte auch ein Anzeichen für Angst sein, vielleicht fürchtet er, als nächstes niedergelegt zu werden. In der dritten Strophe wird die
Beschreibung der Äußerlichkeiten differenziert, der Autor geht auf die inneren Einstellungen ein. Er beschreibt ihr Herz mit einer Metapher (V. 9, „Ein Hertz aus welchem nichts als mein verderben quillet“), welche die Frau erstmals als besonders grausam und herzlos erscheinen lässt. Mit dem elften Vers nimmt der Autor auch einen Bezug zur Religion auf. Er stellt die Gegensätzlichkeiten der Frau dar (V. 10 „himmlisch“ , „verdammen“). Mit diesem Paradoxon10 beschreibt er, dass seine Liebe sehr weit reicht, obwohl die Frau deutlich über ihn herrscht. Er empfindet ihre Worte als himmlisch und betrauert, dass sie die Beziehung zu ihm jederzeit mit einem Wort beenden könne. Ihre Hände halten ihn fest in ihrem Bann, was er durch das Wort „Grimm11“ (V. 11) als schlecht assoziiert. Die letzte Strophe handelt von der verlorenen Persönlichkeit des lyrischen Ichs, da es nicht mehr ohne die Frau leben kann.
Das Gedicht kommt zum Abschluss, und die Trauer und Leblosigkeit des Autors werden deutlich. Er betont noch einmal die Perfektion der Frau in dem 13. Vers und schmeichelt ihr damit, dass sie aus dem Paradies gemacht sei, was ihre Perfektion unterstreicht. Mit dem Oxymoron12 „süsses gifft“ (V. 12) erläutert sich, dass der Autor die Gefangenschaft seiner Seele gerne in Kauf nimmt, weil er die Frau so liebt.
Im letzten Vers des Gedichts werden die letzten Folgen der Beziehung mit der schönen Frau deutlich. Sie hat ihn eingenommen und ihm seine Selbständigkeit und Freiheit genommen. Es scheint, als ob er dies betrauere, jedoch wird durch die vorherigen Verse klar, dass der Autor nicht ohne seine Angebetete leben kann, da sie ihn mit ihrer Schönheit so sehr in den Bann gezogen hat. Dadurch kann die zu Beginn verfasste Deutungshypothese verifiziert werden. Durch die zahlreichen Stilmittel und der Tatsache, dass das lyrische Ich vollkommen von der Frau abhängig ist und keine eigene Persönlichkeit mehr hat, weil er von dem perfekten Aussehen der Frau geblendet ist, wird deutlich, dass das Innere des Menschen wichtiger ist, und dass Äußerlichkeiten einen hohen Täuschungswert haben. Zudem erkennt man auch die Kehrseiten durch die Führung einer Beziehung mit einem Menschen, der dem Schönheitsideal komplett entspricht. Man wird abhängig und der Schönheit seines Partners unterworfen.
Das Gedicht ist in dem Barockzeitalter zuzuordnen, da das Motiv der Schönheit und die Frau ein großes Thema in dieser Epoche war. In dem Gedicht tauchen viele Anspielungen auf das damalige Schönheitsideal auf, zum Beispiel der lange weiße Hals, oder die roten Lippen mit den gleichmäßigen, weißen Zähnen, obwohl zu bezweifeln ist, dass zu dem Zeitpunkt viele Frauen diesem Schönheitsideal entsprechen konnten. Mangelnde Hygiene und die natürliche Imperfektion des Menschen verhinderten dies.