Drama – Grundelemente, Formen, Umsetzung, Entstehung, dramentheoretische Ausführungen usw.
Grundelemente des Dramas |
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Dramatische Rede |
– Monolog/ Dialog (auch Schweigen als dramatische Rede) – Mimik, Gestik, Para-/ Nonverbalität |
Figur/ Charakter |
– lebendige Figur auf der Bühne – (Persönlichkeits-) Entwicklung, Veränderung – Nachahmung der Handlung |
Handlung/ Geschehen |
– Nachahmung/ Simulation der Wirklichkeit |
Schauplatz |
– Ort, an dem sich Handlung abspielt – Spektrum von Möglichkeit (nicht vorhanden ist, bis Handlung bestimmt ist) |
Formen des Dramas |
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Komödie |
Tragödie |
Figuren/ Handlung |
– positiver Held leidet an der Welt und wird gerettet (humoristisch) – negativer Held wird entlarvt und bestraft wegen Charakterschwächen (satirisch) – Leiden und Bestrafung unterhalb der Schmerzensgrenze |
– positiver Held, der für sein Leiden selbst verantwortlich ist (tragisch) – positiver Held wehrt sich gegen den Untergang – am Ende geht der Held aufgrund der selbstverursachten Bedrohung unter |
Haltung/ Rolle des Zuschauers |
– Distanz zu Figuren – Spannung durch Lachen bereits während des Stückes gelöst – Überlegender, herabschauender Zuschauer (im Hinblick auf positiven Helden) |
– geringe Distanz zu Figuren führt zur verstärkter Identifikation – emotionale Spannung löst sich erst am Schluss – Aufschauender Zuschauer (zum positiven Held) |
Wichtiges Zitat #1 |
„Die Komödie sucht sich schlechtere, die Tragödie bessere Menschen nachzuahmen, als sie in der Wirklichkeit vorkommen.“ (Aristoteles) |
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Bedeutung des Zitats #1 |
In Komödien scheitern Menschen, die schlechter sind als es sie in Wirklichkeit gibt. Das Geschehene erscheint lächerlich, komisch und humoristisch, denn letztendlich wird der Konflikt durch einen glücklichen Ausgang gelöst und damit eine Leichtigkeit vermittelt. Wir können guten Gewissens über die Charakterschwächen und Fehler der Figur lachen. In Tragödien gibt es wiederum Menschen, die besser sind als es sie in Wirklichkeit gibt. Figuren mit besten Absichten und einem edlem Charakter geraten unverschuldet oder selbstverschuldet in Konflikte, welche sie anschließend in den Untergang führen. Der Konflikt bleibt ungelöst und es endet mit einem Schrecken. Durch dieses tragische Scheitern wird intendiert, dass der Zuschauer sich moralisch bessert. Nach Aristoteles ist dies durch emotionale Erschütterung möglich. Jammern und Schaudern führen die Reinigung der Seele (Katharsis) herbei. |
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Wichtiges Zitat #2 |
„Eine Tragödie ist es, wenn jemand hinfällt und liegen bleibt. Eine Komödie ist es, wenn jemand hinfällt und wieder aufsteht.“ (Billy Wilder) |
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Bedeutung des Zitats #2 |
Komödien sind komischer, humoristischer Natur. Es gibt ein glückliches Ende. Tragödien enden mit einer Katastrophe oder einem tragischen Schluss und sind insgesamt erschreckender, erbarmungsloser und leidvoller. |
Umsetzung des Dramas |
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Nebentext |
Haupttext |
Inszenierungsentscheidungen |
– Monolog – Dialog – Prolog – Epilog |
– Akt-/ Szenenerzählung – Personenverzeichnis – Regieanweisungen der Szene (Rahmen) – Regieanweisungen im Haupttext, etwa Garderobe, Auf- und Abtritte, Handlung, Sprechweise |
– Requisiten – Aussehen der Besetzung – Maske, Kostüm – Modernisierung – Betonung, Streichung – Gestik, Mimik – Raumgestaltung, Bühnenbild ⇒ Inszenierungsentscheidungen sind von Biografie des Autors, zeitlichen und historischen Kontext abhängig |
Die Entstehung des Dramas |
– Geburtsstätte Athen (4./ 5. Jahrhundert v. Chr.) – drei Formen: – Tragödie (ursprünglich Chorgesang bei rituellen Tieropfern für den Gott Dionysos) – Komödie (ursprünglich Chorgesang bei feierlichen Festzügen) – Satyrspiel – politisches Interesse als „Motor“ für Entwicklung der Dramen: Machtstärkung der Herrschenden durch Feierlichkeiten (Dionysos-Feste) – Einführung des Dialogs als Antwort auf den Chorgesang – in allen Formen exakte Vorgaben für Inszenierung (z.B. Anzahl der Schauspieler) ⇒ Herausbildung von fester Theaterform – ausschließlich Männer als Akteure + Zuschauer |
Dramentheoretische Ausführungen nach ARISTOTELES |
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Grundprinzip |
– Nachahmung von Handlungen und Lebenswirklichkeit (statt Menschen) – teilt das Allgemeine mit – Ziel: Geschehnisse vom Mythos darstellen |
Figuren |
– glücklich oder nicht ⇒ handeln der Handlung willen – entweder gut (meistens Bürger und Tragödien) oder schlecht (meistens Adel und Komödien); beides i.d.R. idealisiert |
Aufgaben des Dichters |
– mitteilen, was geschehen könnte ⇒ nach Regeln der Wahrscheinlichkeit – das Allgemeine mitteilen |
Form |
– Grundsätze (Anfang, Mitte, Ende) – geschlossene, ganze Form und Handlung – Einheit von Zeit, Ort und Handlung – Wendepunkt (wie die Peripetie im tektonischen Dramenaufbau) |
Wirkung auf Zuschauer/ Ziel |
– Tragödie soll durch Jammern und Schaudern Reinigung (Katharsis) beim Zuschauer hervorrufen |
Dramentheoretische Ausführungen nach GOTTSCHED |
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Grundprinzip |
– Lebenswirkliche Geschehnisse werden nachgeahmt |
Figuren |
– Helden sind weder zu gut noch zu schlecht (der Identifikation willen) – klare Figuren (eindimensional), damit Handlung vorhersehbar wird – keine Wendung der Figuren – Figurengestaltung nach historischen Vorbildern |
Form |
– Haupthandlung mit Hauptmoral (ggf. Nebenhandlung mit Nebenmoral) – Einheit von Zeit (3 – 4 Std.), Ort und Handlung – Unterteilung in 5 Teile |
Wirkung auf Zuschauer/ Ziel |
– moralische Lehre und Wahrheiten vermitteln durch Erregung von Emotionen (Mitleid, Bewunderung, Traurigkeit, Schrecken) – starrer Regelkatalog – Wiederbelebung des aristotelischen Verständnisses als Abgrenzung zum Mittelalter |
Dramentheoretische Ausführungen nach LESSING |
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Grundprinzip |
– Nachahmung von Handlungen |
Figuren |
– sollen Mitleid erzeugen und dadurch Identifikation ermöglichen – Inkarnation der Tugendhaftigkeit |
Aufgaben des Dichters |
– dem Publikum ein moralisches Verständnis näherbringen und dadurch den moralischen Kompass und Persönlichkeitsentwicklung verstärken |
Form |
– Einheit von Zeit, Ort und Handlung – erst Schrecken, dann Bewunderung und schließlich Mitleid erzeugen |
Wirkung auf Zuschauer/ Ziel |
– Verbesserung des Menschen im Hinblick auf das Empfinden von Mitleid – dadurch: Entwicklung von Tugendhaftigkeit beim Zuschauer |
Dramentheoretische Ausführungen nach GOETHE |
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Grundprinzip |
– umfassende Darstellung der Realität, nicht von Ausschnitten |
Figuren |
– natürliche Menschen, die nicht perfekt oder idealtypisch sind |
Form |
– Freiheit und Abkehr von der Einheit von Zeit, Ort und Handlung |
Wirkung auf Zuschauer/ Ziel |
– Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft soll aufgedeckt werden und den Zuschauer zum kritischen Hiterfragen und Reflektieren bewegen – Der Konflikt bezieht sich auf Begrenzung (gesellschaftliche Grenzen) und Freiheit (individuelle Grenzen) und lässt sich auf das Beispiel „Romeo und Julia“ anwenden, die durch die Gesellschaftlichen Normen eingeschränkt sind und gleichzeitig nach individueller Freiheit streben – Der Konflikt kann man ebenfalls bei Dramenformen erweitert werden (es gibt eine Begrenzung durch feste Regeln des Theaters und eine Freiheit durch die offene Formen des Theaters) |
Die geschlossene Form des Dramas |
– nach Regeln des Aristoteles konzipierte Gustav Freytag folgenden pyramidalen Dramenaufbau: (I) Exposition (II) steigende Handlung mit erregendem Moment (III) Höhepunkt und Peripetie (IV) fallende Handlung mit retardierendem Moment (V) Katastrophe – Anlehnung an Einheit von Zeit, Ort und Handlung und das Prinzip der durchgängigen Kausalität |
Die offene Form des Dramas |
– Handlung sprunghaft, Zeitsprünge, mehrere Orte ⇒ keine Einheit der Zeit, Ort und Handlung – viele (Neben-) Figuren, unterschiedliche Sprachstile |
Das epische Theater |
– modernes Drama; Lehrtheater – Zuschauer distanziert und empört sich über gesellschaftliche Umstände ⇒ Verfremdungseffekt (plötzlicher Bruch der Handlung, z.B. durch Lied, Ansprache an Publikum) – Ziel: ethische und politische Veränderung – Zuschauer als Betrachter; Drama erzwingt von ihm Entscheidung – es wird mit Argumenten gearbeitet; Mensch als Gegenstand der Untersuchung – Darstellung der Welt, wie sie sein muss (normativ; Wunschvorstellung einer moralischen Welt) |
Der Verfremdungseffekt im epischen Theater |
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Prinzip der Historisierung |
– Handlung, an der gegenwärtige und vertraute gesellschaftliche Verhältnisse gezeigt werden sollen, wird in andere historische und geografische Räume verlegt |
Dialektisches Prinzip |
– Publikum stößt auf Widersprüche: (a) im Aufbau der Handlung (indem Szenen mit gegensätzlichen Aussagen einander folgen) (b) im Verhalten der Figuren (deren Handeln und Gesagtes nicht übereinstimmt, als gespaltene Persönlichkeit dargestellt wird) |
Prinzip der Demonstration und Desillusionierung |
(a) Darsteller identifizieren sich nicht mit Rolle, treten heraus und wenden sich an das Publikum (z.B. durch Lied, Kommentar) (b) Bühnenbild bietet keinen vermeintlichen realen Schauplatz, sondern durch Tafeln, etc. werden zusätzliche Infos zur Handlung gegeben |
Prinzip verschiedener Sprachebenen |
– Sprache als Kunstsprache mit verschiedenen Ebenen (weder gehobene noch Alltagssprache) ⇒ Figuren wechseln z.T. sprunghaft ihre Sprachebene |
Politische Bedeutung des Dramas in der Aufklärung (1720-1785) |
– Sapere aude! („Habe Mut, dich deines Verstandes zu bedienen!“) – Aufklärung als Literaturepoche: Produkt der Übertragung der historischen Aufklärung auf poetische Dichtung (Gottsched, 1720 – 1740/ Lessing, 1755 – 1775/ Leibnitz) – Ziel: Befreiung des Menschen (geistig und politisch) von religiösen Bindungen und von einhergehender politischen Unterdrückung – Humanismus (Glück als Ergebnis menschlicher Tugend) – Rationalität (menschliches Verhalten auf Grundlage von Verstand/ Vernunft) ⇒ kritisches Hinterfragen von Allem – Auflösung des Nationalismus (Weltbürgertum/ Toleranz) – Abkehr von kirchlicher Dogmatik („Natürliche Religion“) – Deismus (Gott als Schöpfer, Geschichte der Welt in der Hand des Menschen) |
Die Katharsis-Lehre |
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Katharsis nach ARISTOTELES |
Katharsis nach LESSING |
– Nachahmung einer Handlung und von Figuren ⇒ erzeugt Mitleid und Furcht ⇒ bewirkt Reinigung der Seele von negativen Affekten |
– Kunst des Dichters: Nachahmung ⇒ erregt Schrecken und Bewunderung ⇒ steigert Mitleid im Zuschauer ⇒ sorgt für Furcht um eigenes Schicksal ⇒ führt zur Reinigung und Verbesserung der Fähigkeit, Mitleid zu empfinden ⇒ Welt soll zum besseren Ort werden, wo man auf andere Rücksicht nimmt |
UNTERSCHIED zwischen Katharsis nach ARISTOTELES und nach LESSING: – Aristoteles bezieht sich auf den sozialen Zustand; Lessing bezieht sich auf den politischen Zustand – Unterschied in der Identifikation: bei Aristoteles geht es um die Furcht um andere Figuren; bei Lessing geht es um die Furcht um sich selbst – Aristoteles fokussiert sich auf idealtypische Figuren;Lessing fokussiert sich auf realistischere Figuren |
Das bürgerliche Trauerspiel |
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Grundmuster |
– Liebesbeziehung zw. einem bürgerlichen Mädchen u. einem adeligen Liebhaber – Beziehung wird diesen verwehrt, weil ständeüberwindende Beziehungen ausgeschlossenen sind (Standeskonflikt) – Vater des Mädchens fürchtet um Tugend der Tochter – skrupellose Person aus dem Adel versucht, Beziehung zu verhindern – Entstehung einer Dreiecksbeziehung – Liebesbeziehung kann nicht ausgelebt werden – Haupthandlung endet tragisch mit Tod einer oder mehreren Hauptfiguren – danach verzeihen sich die Konfliktparteien |
Figurengestaltung (v.a. bei Lessing) |
– Figuren sollen Bürgerliche und möglichst realitätsnah sein ⇒ Mitleid erregen – Adelige und das höfliche Leben wird als lasterhaft, nicht vorbildlich dargestellt – Figuren, mit denen man sich identifiziert – Bürgertum charakterisiert von Tugendhaftigkeit und Selbstlosigkeit; Adel charakterisiert von Tugendlosigkeit und Skrupellosigkeit – von Natur aus gute Menschen werden von der Gesellschaft verdorben – gesellschaftliche Konflikte: Familie/ Bürgertum/ Natur im Konflikt mit lasterhaftem Hofe – Konflikt soll im Theater aufgelöst werden – Entwicklung: von Betonung der Privatsphäre/ Familie hinzu zu standesbewusster Gesellschaftskritik (Sozialkritik) |