Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Sonett1 „Beschreibung vollkommener Schönheit“ des Barocklyrikers Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau thematisiert die bewusste Verführung des Mannes durch weibliche Reize und ihre fatalen Auswirkungen, denen der Mann nicht entkommen kann.
In den beiden Quartetten wird die äußerliche Schönheit einer Frau ausführlich beschrieben. Nachfolgend werden jedoch auch die negativen Folgen der weiblichen Schönheit für den Mann angeführt. Die Terzette handeln von einer persönlichen Erfahrung des lyrischen Ichs, welches aufgrund der Verführung durch eine Frau zugrunde gegangen ist.
Das erste Quartett des im Alexandriner verfassten Sonetts beginnt mit der Beschreibung der eigenwilligen Haare (Vgl. V. 1) und des Mundes der Frau, der durch rote Lippen und strahlende Zähne zum Küssen vorführt. Durch ihr spitzes „Zünglein“ (V. 3) ist die Frau in der Lage, allein durch Worte „tausend Herzen“ (V. 3) zu brechen. Diese Hyperbel2 (V. 3) verstärkt das Bild der Frau als gewissenlose Herzensbrecherin. Ihre Brüste werden mit Rubin und Alabaster (Vgl. V. 4) verglichen. Der Rubin steht an dieser Stelle stellvertretend für die satte Farbe der Brustwarzen, während der weiße Alabaster für die helle Haut der Brüste steht. Der Vergleich der Brüste mit einem wertvollen Edelstein (Rubin) verweist darauf, wie wertvoll und kostbar der weibliche Körper in den Augen des lyrischen Ichs und zahlreicher Männer aus der Entstehungszeit des Sonetts zu sein schien. Die weiße Haut, die im Zeitalter des Barocks als Schönheitsideal galt, kommt ebenfalls durch den Neologismus3 „Schwanensee“ (V. 5) zum Vorschein. Der Hals der Frau wird als weitaus schöner als der elegante Hals eines Schwans beschrieben. Durch die Metapher4 „Pracht der Flora“ (V. 6) werden ihre rosigen Wangen, die Frische ihres Ausdrucks und die Vielfalt ihres Gesichts hervorgehoben. Überdies besitzt die Frau einen für Männer gefährlichen Blick. Ist man diesem einmal verfallen, so gibt es kein Entkommen mehr. Die Kraft, die im Blick der Frau liegt, wird durch die Alliteration5 „Blick“ und „Blitze“ (V. 7) deutlich hervorgehoben. Die Arme der Frau, die hyperbolisch stark dargestellt werden (Vgl. V. 8), symbolisieren die enorme Macht, welche sie auf den Mann ausüben kann. Die Darstellung der „vollkommenen Schönheit“ erfolgt antithetisch. Der faszinierenden Schönheit der Frau werden augenblicklich ihre fatalen Auswirkungen auf den Mann gegenübergestellt. Beschreibt das lyrische Ich in einem Vers noch die rosigen Wangen (Vgl. V. 6), so warnt es im nächsten schon vor dem tödlichen Blick der Frau (Vgl. V. 7). Die häufig vorkommenden Antithesen6 verdeutlichen den Zwiespalt des lyrischen Ichs. Es ist sich der Gefahr dieser Schönheit zwar bewusst, jedoch ist es nicht in der Lage, der Anziehungskraft der Frau zu entfliehen. Stattdessen wird es von ihr ins „Verderben“ (V. 9) gezogen. Das Paradoxon7 „himmlisch“ und „verdammen“ (V. 10) hebt ebenfalls die zweifache Auswirkung der Verführung durch die Frau hervor, die sehr schön („himmlisch“) und zugleich auch überaus gefährlich (Vgl. V. 10) ist. Die Frau zieht den Mann in einen starken „Bann“ (V. 11), dem er nicht mehr entkommen kann. Das Oxymoron8 „süßes Gift“ (V. 12) verdeutlicht die Fähigkeit der Frau, den Verstand des Mannes vollkommen zu vergiften. Obwohl das lyrische Ich diese „vollkommene Schönheit“ für sein persönliches Paradies hält, ist es ihr möglich, das lyrische Ich seiner Lebensfreude und „Freiheit“ (V. 14) zu berauben.
Zu Beginn der beiden Terzette fällt auf, dass das lyrische Ich nun nicht mehr allgemein spricht, sondern von einer persönlichen Erfahrung berichtet. Im gesamten Sonett tritt ein gewaltiger Vorwurf an die Frau der damaligen Zeit hervor. Die Frau setzte alle Attribute ihrer Schönheit bewusst ein, um den Mann zu verführen und dadurch eine enorme Macht über ihn zu erlangen. Die als gefühlskalt beschriebene Frau interessiert sich nicht für das Schicksal ihrer Verehrer und nimmt sogar deren „Verderben“ (V. 9) in Kauf. Durch die zahlreichen Anaphern9 im gesamten Sonett (z. B. V. 1-3, V. 9-10) wird die Vielzahl der weiblichen Schönheitsattribute und deren Macht noch einmal hervorgehoben. Die Verwendung der Finalstruktur ermöglicht es dem Autor, die Konsequenz der im übrigen Sonett beschriebenen Sachverhalte kompakt zusammenzufassen (Vgl. V. 14).
Das Gedicht enthält ebenfalls den Appell an die Männerwelt, sich vor den Frauen und ihrer „vollkommenen Schönheit“ in Acht zu nehmen. In dem Vorwurf der bewussten Verführung an die Frau spiegelt sich das damalige Frauenbild zur Zeit des Barocks deutlich wider. Obwohl die Bevölkerung des 17. Jahrhunderts stark von dem „Carpe Diem“ Gedanken geprägt war, enthält dieses Gedicht jedoch die Aufforderung, sich seiner Sterblichkeit bewusst zu sein und sich demnach um eine tadellose Lebensführung zu bemühen, um für den Tag des Jüngsten Gerichts bereit zu sein. Dieser Widerspruch zwischen „Carpe Diem“ und dem eben beschriebenen „Memento mori“ Gedanken aus dem Vanitas Motiv verdeutlicht den in der damaligen Bevölkerung herrschenden Zwiespalt.
Die Aussage des Gedichts, der Vorwurf der Verführung an die Frauen und die Warnung vor dieser an die Männer entspringt zum einem dem Frauenbild im Zeitalter des Barocks. Zum anderen spielen jedoch auch militärische Auseinandersetzungen und gesellschaftliche Veränderungen eine Rolle. Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) waren zahlreiche Frauen zur Witwe geworden, worauf ein Aufleben der weiblichen Selbstständigkeit entstand, wie man es bisher noch nicht gekannt hatte. Es ist gut möglich, dass dieses neue Selbstbewusstsein fälschlicherweise als Arroganz gedeutet wurde. Zudem war die Bevölkerung in der Nachkriegszeit stark von Unsicherheit geprägt. Desweiteren begann man auch, einen größeren Wert auf Schönheit zu legen. Jedoch ist es auch möglich, dass von Hoffmannswaldau persönliche Erfahrungen mit Verführung oder unerwiderter Liebe beziehungsweise unerfüllter Begierde gemacht hat und daher andere Männer warnen möchte, um sie vor diesem Schicksal zu bewahren.
Meiner Meinung nach sollte man den Eindruck, den man von einer oder nur von wenigen Personen gewonnen hat, nicht auf die Allgemeinheit übertragen. Das in diesem Gedicht vermittelte Frauenbild, traf gewiss nicht auf jede Frau der damaligen Zeit zu, weswegen man es auch nicht verallgemeinern sollte. Jedoch fasziniert mich die Art und Weise, durch die C. H. von Hoffmannnswaldau die „vollkommene Schönheit“ einer Frau beschreibt.