Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das vorliegende Gedicht „Sonett1 in der Emigration“ von Bertolt Brecht aus dem Jahre 1941 lässt sich zur Exilliteratur zuordnen.
Unter Exilliteratur versteht man sämtliche Werke und Schriften, die in NS-Deutschland aus politischen, rassistischen und sonstigen Gründen verboten wurden, woraufhin die bedrohten Autoren dieser Werke und Schriften ins Exil flüchteten. Dort fühlten sie sich oft isoliert und einsam. Demzufolge verfassten sie Schriften über Heimweh oder ihre Liebe zum Mutterland. Einige Autoren riefen jedoch auch zum Widerstand auf und unterstützen durch historische Romane, Manifeste und Flugblätter Widerstandsbewegungen in Deutschland. Die Autoren im Exil machten somit auf die Missstände in Deutschland aufmerksam.
Einer dieser exilierten war Bertolt Brecht (1898 bis 1956). Seit Beginn der NS-Zeit in Deutschland (1933) floh Bertolt Brecht von einem Land zum anderen vor den Nazis aus Berlin. Seine Reisen über Moskau und Sibirien führen ihn dann schließlich, ungefähr im Jahre 1941, nach Amerika. Dort zieht es ihn nach Kalifornien, wo er versucht mit seinen Gedichten Erfolg zu gewinnen. Dort verfasste er auch das Gedicht „Sonett in der Emigration“.
Das Gedicht „Sonett in der Emigration“ von Bertolt Brecht besteht aus vier Strophen mit insgesamt 14 Versen. Die ersten beiden Strophen bestehen aus jeweils vier Versen und die letzten beiden Strophen bestehen aus jeweils drei Versen. Demzufolge handelt es sich bei diesem Gedicht um ein Sonett. Das lyrische Ich des Gedichts befindet sich in Kalifornien im Exil. Es versucht mit Mühe seine Schriften populär zu machen und scheitert daran kläglich. Seine Werke werden in Amerika von der Bevölkerung nicht gut angenommen. Das lyrische Ich kommt zu dem Schluss, dass es sogar besser sei, wenn sein Name in Amerika nicht so weit verbreitet wäre und ihn kaum jemand kennen würde, da er in Deutschland als kriminell gilt. Außerdem möchte das lyrische Ich keine Person mit seinem Werken begnügen, die nicht daran interessiert ist.
Allein der Titel des Gedichts weist darauf hin, dass es sich um ein sehr fröhliches Gedicht handeln müsste. Doch dies täuscht, wenn man sich den Inhalt des Gedichts genauer betrachtet.
In der ersten Strophe berichtet das lyrische Ich, welches man mit dem Autor gleichsetzen könnte, dass er aus seinem Land verjagt wurde (Vers 1) und nun im Exil gelandet ist. Es versucht verzweifelt seine Schriften unter das Volk zu bringen. Das lyrische Ich landet jedoch nur in einer Schenke (Vers 2), wo normalerweise Bier und andere Getränke ausgegeben werden. Es jedoch schenkt seine Gedichte und Werke in dieser Gaststätte aus, da es sonst keine andere Möglichkeit sieht, diese woanders zu verbreiten. Es könnte sich diesen Ort auch ausgesucht haben, da sich in einer Schenke viele betrunkene und angetrunkene Leute aufhalten und vielleicht diese sich die literarischen Schriften und Gedanken vom lyrischen Ich wenigstens anhören. Durch die vielen W-Fragen wie „Wo?“, „Was?“ und „Wie?“, die besonders in dieser ersten Strophe auftauchen, wird die Verzweiflung und Zerrissenheit des lyrischen Ichs deutlicher. Die Fragen zeigen deutlich, dass es auf der Suche nach seinem Weg ist. Die erste und zweite Strophe sind mit dem Satz „Die alten Wege muss ich wieder gehen, die glatt geschliffenen durch den Tritt der Hoffnungslosen!“ (Vers 4 bis 6) verbunden. Dies zeigt, dass die Gedanken vom lyrischen Ich sich ohne Pause weiterführen und geradezu überschlagen. Es wirkt sehr wütend und rasend, was durch die vielen Ausrufezeichen und Fragezeichen deutlich wird. Dem lyrischen Ich wird klar, dass es ganz von vorn anfangen muss im Exil (Vers 4 bis 6). Auch in dieser Strophe stellt es sich selbst Fragen (Vers 7). Es weiß nicht, wohin und zu wem es gehen soll, geht und sucht jedoch weiter ohne ein bestimmtes Ziel zu haben. Die Amerikaner kennen das lyrische Ich nicht und verlangen demzufolge seinen Namen zu sagen (Vers 8). Dies regt das lyrische Ich auf und wirkt schon fast spöttisch bei seiner Aussage „Ach, dieser ‚name‘ gehörte zu den großen!“ (Vers 9). Man erkennt auch seine Enttäuschung über das Nichtkennen seines Namens in dieser Aussage. In der dritten und vierten Strophe bemerkt man eine Veränderung in seiner Stimmungslage. Es tauchen nicht mehr die W-Fragen so oft auf, was möglicherweise auf das Ende seiner Suche hinweist. Beide Strophen fangen mit demselben Wort „Ich“ (Vers 11 und Vers 15) an. Dies zeigt, dass er trotz der ganzen Niederlagen, die er in Amerika erfahren hat, eine selbstbewusste und entschlossene Person ist. Diese Niederlagen haben ihn wohlmöglich stärker und härter in seiner Person gemacht. In der dritten Strophe sagt er sogar, dass es besser sei, dass sie Amerikaner von seinem Namen noch nicht gehört haben. Das lyrische Ich wird nämlich auch noch im Exil polizeilich überwacht und geht somit als eine Art Krimineller (Vers 12). Es ist außerdem sicher, dass die Menschen in Amerika seine Kunst sowieso nicht haben wollen (Vers 13) und somit auch seinen Namen nicht kennen müssen.
In der vierten Strophe wird seine selbstbewusste Art nun sehr deutlich. Es berichtet, dass es „mit solchen schon wie Ihnen“ (Vers 15) Erfahrungen hat. Damit macht das lyrische Ich Anspielungen auf die Nationalsozialisten in seinem Heimatland, die sich auch nicht für seine Schriften und andere Werke interessierten und sie allesamt in der Bücherverbrennung in Berlin verbrennen ließen. Das lyrische Ich möchte solche Leute mit seiner Kunst auch nicht bedienen (Vers 17). In dieser Strophe macht sich die Entwicklung des lyrischen Ichs von der verzweifelten suchenden Person, die es am Anfang war, zur selbstbewussten und charakterstarken Person, die es am Ende ist, sehr deutlich.
Obwohl die Strophen des Gedichts durchgehend umarmende Reime besitzen und einen gewissen Rhythmus haben, der dem Gedicht einen schönen und fröhlichen Klang verleiht, beschäftigt sich der Inhalt des Gedichts mit einem ernsten und traurigen Thema. Somit stimmt die Arbeitshypothese, die am Anfang aufgestellt wurde.