Gedicht: Der Blumengarten (1953)
Autor/in: Bertolt BrechtEpoche: Neue Sachlichkeit
Strophen: 2, Verse: 8
Verse pro Strophe: 1-4, 2-4
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt und kann daher nicht angezeigt werden.
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt und kann daher nicht angezeigt werden.
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
In dem Gedicht „Der Blumengarten“ befasst sich Berthold Brecht in sehr besonderer Weise mit dem Platz, den das Individuum in der Gesellschaft einnimmt.
Das Gedicht besteht aus zwei Strophen. In der ersten Strophe, bestehend aus vier Versen, wird zunächst die Natur beschrieben. Der Garten liegt „Am See, tief zwischen Tann und Silberpappel“ (V. 1). Die Tanne und die Silberpappel fungieren hier als Schutz bzw. Wächter. Die Pappel ist ein Symbol für Schutz und erhält durch das Attribut „silber“ etwas Erhabenes und Edles. Zusätzlich wird der Garten durch die Mauer und Gesträuch beschirmt (V. 2) bzw. abgeschirmt. Die Mauer symbolisiert Schutz und durch das Wort „beschirmt“ wird dies noch verstärkt. Die Synonyme für Schutz werden hier aneinandergereiht und verdeutlichen eine Beschütztheit des Gartens bzw. möglicherweise eine Begrenzung. Nach einer Art Exposition des Gartens folgt nun eine detaillierte Beschreibung. Der Garten ist „So weise angelegt mit monatlichen Blumen/ Dass er vom März bis Oktober blüht“ (V. 3-4). Der Garten wurde „weise“ angelegt, was darauf schließen lässt, dass es mit viel Bedacht geschah. Durch das Attribut „monatlich“ erhalten die Blumen gleich dem Garten, eine Begrenzung. Die Blumen zeigen eine klare Ordnung, die den Garten vom März bis zum Oktober in voller Blüte stehen lässt. Die Ordnung und Begrenzung wird hier durch den klar festgelegten Zeitraum verstärkt. Die erste Strophe besteht aus einem Satz und weist lediglich ein Komma und einen Punkt auf (V. 1, V. 5). Das Thema bzw. Leitsymbol der Begrenzung findet hier nicht durch Satzeichen, sondern durch die gezielte Einsetzung von Wörtern wie „Mauer“ und „beschirmt“ Ausdruck. Die erste Strophe bringt eine Veränderung von Eingeengtheit des Gartens hin zur Freiheit und Leichtigkeit des lyrischen Ichs. Es findet sich in der zweiten Strophe, ebenso wie in der ersten, im ersten Vers der Strophe eine Exposition. Wichtige Fragen wie: wer, wie, wann und wo, werden geklärt. Das lyrische Ich (wer) sitzt (wie) am frühen Morgen (wann) „hier“ (wo). Mit „hier“ ist vermutlich ein Garten gemeint. Das „in der Früh“ beschreibt den Zeitpunkt vom Beginn des Tages, einem täglichen Neubeginn. Dadurch dass das lyrische Ich „nicht allzu häufig“ hier sitzt, erhält es eine gewisse Leichtigkeit, es scheint ihm freigestellt zu handeln, wie es ihm beliebt. Die Leichtigkeit und Ungebundenheit wird fortgeführt, es wünscht sich „es mög allezeit (…)“. Durch das Wünschen erhält es fast kindliche Züge und der Imperativ „mög“ in Verbindung mit „allezeit“ verbreitet das Gefühl von Freiheit und Selbstbestimmtheit. Allezeit ist eine unbestimmte Zeitangabe und beinhaltet sowohl Gegenwart als auch Zukunft. Das „auch“ in diesem Vers könnte den Wunsch nach Anpassung darstellen. Will jemand etwas auch tun, so möchte er etwas, was jemand anderes schon bzw. „auch“ tut. In diesem zweiten Vers der zweiten Strophe steht deutlich das Ich im Fokus: „sitz ich/ Und wünsche mir, auch ich…“ (V. 6f.). „In den verschiedenen Wettern, guten, schlechten“ (V. 7). Das Wetter könnte in Verbindung mit dem lyrischen Ich dessen Stimmung oder Gefühlslagen zeigen. Die Vielzahl verdeutlicht eine Vielfältigkeit dieser Stimmungen und erhält durch „guten, schlechten“ verschiedene Facetten. „Gut“ und „schlecht“ stellt zudem einen starken Kontrast dar, könnte aber auch lediglich die Spannweite der Stimmungen kennzeichnen. Das lyrische Ich möchte im letzten Vers (V. 8) „Dies oder jenes Angenehme zeigen“. „Dies“ oder „jenes“ zeigt hier eine gewisse Willkür und Freiheit der Auswahl an „Angenehmen“. Das Angenehme könnten hier Charakterzüge oder menschliche Eigenschaften sein, die es zeigen möchte und offen legen will. Durch die ausgestrahlte Leichtigkeit scheint das Leitsymbol der Begrenzung in der zweiten Strophe auf den ersten Blick nicht vorfindbar zu sein. Der Begrenzung wird nicht wie in der ersten Strophe durch die Wortwahl Ausdruck verliehen, sondern durch die Satzzeichen. Ebenso wie die erste besteht die zweite Strophe aus einem Satz. Der Satz der zweiten Strophe enthält viele Einschübe, die durch Kommata abgetrennt werden, es finden sich sechs Kommata und ein Punkt. Es findet sich die von Brecht bekannte Antithetik in Form der Themenwahl von Begrenzung und Freiheit wieder. Das Leitsymbol der Begrenzung wird in der ersten Strophe durch die Wortwahl und in der zweiten Strophe durch die Zeichensetzung dargestellt, aber auch die äußere Form spiegelt dieses Thema wider. Brecht teilt in zwei Strophen, bestehend aus jeweils einem Satz, der dann auch jeweils vier Zeilen füllt. Die Versbeginne sind uniform1 groß geschrieben und fast durchgängig ist das Versmaß des Jambus zu finden. Erscheint das Gedicht auf den ersten Blick untypisch für Berthold Brecht, so kann man den Lyriker bei genauerer Betrachtung wieder erkennen und findet eine versteckte Kritik an der Gesellschaft. In der ersten Strophe findet eine Steigerung statt. Reiht man die Symbole Wächter (V. 1), Schutz (V. 2), Ordnung (V. 3) und final Begrenzung (V. 4) aneinander, so könnte man diese als Bild der Gesellschaft wahrnehmen. Tut man Selbiges mit der zweiten Strophe, also stellt man die Symbole Neubeginn (V. 5), Freiheit (V. 5), Ich (V. 6) und Leichtigkeit (V. 5, 6, 8) heraus, entsteht das Bild eines einzelnen Menschen, dem Mensch als Individuum. Die Antithetik findet so Ausdruck in dem Kontrast von Gesellschaft und dem Mensch als Individuum. Der Mensch in diesem Gedicht scheint aus der Gesellschaft ausgegrenzt, oder vielleicht missverstanden zu sein. Er wünscht sich „auch“ allezeit dies oder jenes Angenehme zu zeigen. Der Mensch scheint das Bedürfnis zu haben, bei guten und schlechten Stimmungen positive Charakterzüge zeigen zu wollen. Dies könnte jedoch von Brecht ironisch gemeint sein, um zu zeigen, dass der Mensch sich in seinem Willen, anzupassen zu wollen, verstellt. Um nicht an die „Grenzen“ der Gesellschaft zu stoßen bzw. um nicht ausgeschlossen zu werden, passt sich der Mensch an, wobei er sein Inneres verborgen lässt und nur von anderen Gewünschtes zeigt. Brecht setzt sich in diesem Gedicht also mit dem Platz auseinander, den das Individuum in der Gesellschaft einnehmen könnte.