Novelle: Bahnwärter Thiel (1887)
Autor/in: Gerhart HauptmannEpoche: Naturalismus
Die nachfolgende Inhaltsangabe und Zusammenfassung bezieht sich Hauptmanns novellistische Studie „Bahnwärter Thiel“.
Die nachfolgende Inhaltsangabe und Zusammenfassung bezieht sich Hauptmanns novellistische Studie „Bahnwärter Thiel“.
Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
„Bahnwärter Thiel“ ist eine Novelle von Gerhart Hauptmann und wurde erstmals 1888 veröffentlicht.
Gerhart Hauptmann (1862 - 1946) war ein deutscher Schriftsteller und Dramatiker und erhielt 1912 den Nobelpreis für Literatur. Seine Werke sind hauptsächlich der literarischen Strömung des Naturalismus zuzuordnen, wobei die Novelle „Bahnwärter Thiel“ nicht ausschließlich von Naturalismus geprägt ist. Charakteristisch für diese Strömung sind die exakten Darstellungen der Gesellschaft und aktueller Zeitprobleme. In „Bahnwärter Thiel“ wird durch das Leben der Hauptfigur das Elend der Arbeiterschicht an den Pranger gestellt und die Industrialisierung thematisiert.
Das Werk trägt den Untertitel „Studie“ und soll den Eindruck erwecken, eine wahre Begebenheit ähnlich einer wissenschaftlichen Studie frei von jeglicher Wertung zu beschreiben.
Zentrale Figur der Novelle ist der Bahnwärter Thiel. Er ist ein einfacher, ruhiger und frommer Mann, der seit 10 Jahren gewissenhaft seiner Arbeit in einem Bahnwärterhäuschen an der Zugstrecke zwischen Berlin und Frankfurt/Oder nachgeht. Er ist mit Minna verheiratet, die eine feingliedrige und zarte Frau ist. Allerdings verstirbt Minna bei der Geburt des gemeinsamen Sohnes Tobias. Thiel möchte nicht, dass sein Sohn ohne Mutter aufwächst oder gar vernachlässigt wird, da Thiel den ganzen Tag arbeiten ist. Daher heiratet er bereits ein Jahr nach Minnas Tod die Bauernmagd Lene. Schnell stellt sich heraus, dass die kräftige Lene sich nicht nur äußerlich stark von Minna unterscheidet. Sie ist herrschsüchtig und dominant. Die verdrehte Rollenverteilung des Paares wird zum Stadtgespräch.
Gemeinsam mit Lene bekommt Thiel ein zweites Kind, was dazu führt, dass Lene Tobias vernachlässigt. Durch Zufall entdeckt Thiel, dass Tobias sogar von Lene misshandelt wird. Thiel ist allerdings unfähig Lene zu Rede zu stellen, obwohl er wütend ist. Auf der Arbeit hat Thiel ein schlechtes Gewissen und sorgt sich um Tobias. Es wird immer deutlicher, dass Thiel emotional von Lene abhängig ist. Er bemüht sich zwar für Tobias ein guter Vater zu sein, ist aber nicht in der Lage sich gegen Lene zu behaupten.
Aufgrund seiner angespannten Lebenssituation beginnt Thiel sich zu verändern. Die Arbeit stellt für ihn die einzige Rückzugsmöglichkeit dar. Dort verliert er sich immer wieder in Gedanken und Träume an seine verstorbene Minna, die er anzubeten scheint. In einer Art Vision sieht er sie sogar über die Gleise wandeln. Die Gewissensbisse, dass er sein Versprechen, sich um Tobias zu kümmern, nicht halten konnte, werden immer schlimmer.
Lene und die beiden Kinder begleiten Thiel an einem Tag zur Arbeit und Thiel unternimmt einen Spaziergang mit Tobias. Gegen Abend muss Thiel seinen Dienst antreten. Als der Schnellzug heranfährt, ertönt plötzlich das Notsignal und die Bremse des Zugs. Der Zug hat Tobias erfasst, der schwer verletzt ist. Lene begleitet Tobias zum Arzt, Thiel bleibt verzweifelt zurück. Wieder erscheint ihm Minna, Thiel verspricht ihr sich zu rächen. Als der Säugling beginnt zu schreien, würgt Thiel ihn. Erst die Signalglocke holt ihn in die Realität zurück. Wenig später erhält er die Nachricht, dass Tobias verstorben ist. Thiel wird bewusstlos und von mehreren Männern nach Hause getragen. Am nächsten Morgen wollen die Männer nach dem Rechten sehen, sie finden Lene und das Kind tot auf. Thiel findet man auf den Gleisen an der Stelle, an der Tobias überfahren wurden. Er scheint den Verstand verloren zu haben. Die Männer müssen ihn gewaltsam wegbringen, Thiel wird in die Irrenanstalt der Charité überwiesen, Tobias' Mütze immer bei sich.