Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das zu analysierende Gedicht „Am Turme“, wurde im Jahre 1842 von Annette von Droste-Hülshoff verfasst. Es behandelt die Wünsche und Sehnsüchte einer Frau, welche sie, aufgrund der zu der Entstehungszeit vorherrschenden Konventionen, nicht ausleben kann.
Im folgenden werde ich den Inhalt des Gedichts kurz zusammenfassen.
Das Gedicht ist inhaltlich in vier Strophen unterteilt.
In der ersten Strophe wird eine Umgebungs- und Situationsbeschreibung getätigt.
Das vermutlich weibliche lyrische Ich beschreibt das es sich auf einem „hohe[n] Balkone am Turm“ (V. 1) befände und ihre Haare wehen ließe. Sie äußert den Wunsch nach Abenteuer (vgl. Z. 6-8).
Betrachten wir nun die zweite Strophe. Es findet ein Perspektivwechsel statt. Das lyrische Ich betrachtet nun den Strand. Sie wünscht sich, das sie in die Meere springen könnte und „[d]as Walroß“ (Z. 16) „durch den korallenen Wald“ (Z. 17) jagen könnte.
Auch in der dritten Strophe findet, ähnlich wie in der zweiten, ein Perspektivwechsel statt. Das lyrische Ich betrachtet nun das Meer, dort sieht sie ein Schiff. Sie wünscht sich, sie könnte zusammen mit den Seemännern auf dem Schiff sein und das Boot steuern. Auch in dieser Strophe sehnt sie sich nach Abenteuern.
In der letzten Strophe hält das lyrische Ich einen Monolog. Es wünscht sich ein Jäger oder ein Soldat, zumindest aber ein Mann sein zu können. Sie beschreibt, dass sie sich gerne frei fühlen würde und nicht wie ein „artige[s] Kind […]“ (V. 30).
Betrachten wir nun die metrische Gestaltung des Gedichtes. Als Reimschema des Gedichtes lässt sich ein regelmäßiger Kreuzreim erkennen. Dieser setzt sich in alle vier Strophen fort, er wird kontinuierlich aufrechterhalten.
Betrachten wir nun die sprachliche Gestaltung des Gedichtes. Das Werk behandelt die Sehnsucht einer Frau nach einem freien Leben und Abenteuerlust. Dies spiegelt sich auch in der Wortwahl des Gedichtes wider. Auffällig sind Wörter wie „hohem“ (V. 1), „schreienden“ (V. 2), „wilder“ und „toller“ (V. 5). Diese verdeutlichen das wilde Leben der Abenteurer, nach welchem sich das lyrische Ich sehnt.
Widmen wir uns nun der ersten Strophe des Gedichtes. Wie obig beschrieben beginnt diese mit einer Umgebungsbeschreibung. Es wird beschrieben, dass sich das lyrische Ich auf einem „hohem Balkone am Turm“ (V. 1) befindet. Diese Beschreibung korrespondiert mit der Beschreibung von Rapunzel, eine Figur aus der Welt der Märchen. Diese Beschreibung seitens der Protagonistin verdeutlicht, dass diese sich ähnlich wie Rapunzel aus dem oben genannten Märchen fühlt. Diese wird von ihrer Mutter auf einem Turm festgehalten.
Das lyrische Ich vergleicht sich zudem mit einer Mänade, einer wilder, rasender Frau im Gefolge des griechischen Fruchtbarkeitsgottes Dionysos. Die Protagonistin sehnt sich nach einem Leben mit „wilde[n] Geselle[n]“. Diese stehen hier stellvertretend für ein wildes, aufregendes und gefährliches Leben.
In der folgenden, zweiten Strophe, blickt das lyrische Ich auf das Meer hinaus. Sie sieht das Treiben der Wellen und wünscht sich, in das Meer springen zu können und Abenteuer zu erleben. Hier wird das Motiv des Meeres verwendet. Es steht für Sehnsucht und Unendlichkeit, jedoch auch für Gefahr und Tod. Hier wird verdeutlicht wie stark sich das lyrische Ich nach einem Abenteuer sehnt, sie nimmt sogar Gefahren und Tod in Kauf. Wörter wie „Geklaff“ und „Gezisch“ (V. 11), sowie „tobende Meute“ (V. 14), verdeutlichen die Gefahr welche vom Meer auszugehen scheint. Des Weiteren sorgen diese für eine starke Rasanz.
In der dritten Strophe betrachtet das lyrische Ich ein Schiff. Es wünscht sich dieses Schiff steuern zu können und „[w]ie eine Seemöwe“ (V. 24) durch das Meer zu fahren. Eine Seemöwe symbolisiert Freiheit aber auch Gefahr. Die Bewegung des Kiels wird als „auf und nieder“ (V. 19) beschrieben. Auch dies symbolisiert eine gewisse Gefahr.
In der letzten Strophe kritisiert das lyrische Ich ihre Gefangenschaft auf dem Turm und die Einseitigkeit der Rolle der Frau. Durch die Beschreibung der Frau als „artige[s] Kind“ (V. 30), wird deutlich, wie eingeschränkt die Frauen zur Entstehungszeit des Gedichtes waren. Das lyrische Ich, welches sich nach Abenteuern sehnt, fühlt sich in ihrer Rolle gefangen. Sie wünscht sich ein Mann sein zu können, um den von der Gesellschaft gegebenen Konventionen entkommen zu können.
Abschließend kann gesagt werden, dass das lyrische Ich eine Umgebungsbeschreibung tätigt, durch welche sie ihre Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer ausdrückt. Des Weiteren zeigt das Gedicht zu der Entstehungszeit vorherrschenden gesellschaftlichen Konventionen vor allem in Bezug auf die Unterdrückung der Frau. Diese Repression wird vor allem durch den Vergleich der Frau mit einem „artigen Kinde“ (V. 30) deutlich. Zwar sehnt sie sich nach Abenteuern, Gefahren und Aufregung, jedoch kann sie dies aufgrund von ihrer Rolle als Frau nicht wahrnehmen.
Das zu analysierende Gedicht lässt sich der Epoche der Romantik zuordnen. Dies rührt daher, dass sie eine Vielzahl von typischen Motiven in dem Werk vorliegen. Bereits in der ersten Strophe wird deutlich, dass sich das lyrische Ich auf einem „hohem Balkone am Turm“ (V. 1) befindet. Diese Beschreibung kann als Anlehnung an das Märchen Rapunzel gesehen werden. Zudem findet sich auch eine Anlehnung an die griechische Mythologie (vgl. V. 3). Auch das Motiv der Sehnsucht findet sich in diesem Gedicht.