Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
In dem Gedicht "Menschliches Elende" von Andreas Gryphius aus dem Jahre 1663 wird die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens sowie die Frage nach dem Sinn des Lebens aufgegriffen. Außerdem bezieht sich das Gedicht auf den Vanitas -Gedanken, also auf die Eitelkeit bzw. die Nichtigkeit des Menschen.
Andreas Gryphius macht in seinem Gedicht auf die Vergänglichkeit aufmerksam, dass nichts für immer und das Leben daher sinnlos ist, da man irgendwann stirbt und es so sein wird, als hätte man nie gelebt.
Das Gedicht ist in einer Sonettform verfasst: zwei Terzette folgen auf zwei Quartette.
Die Quartette bestehen aus umarmenden Reimen (abba) und die Terzette aus Schweifreimen (ccd/eed).
Insgesamt umfasst das Sonett1 14 Verse in Form eines Alexandriners (sechshebiger Jambus) mit Mittelzäsur2, welche die Gegensätzlichkeit im Gedicht verdeutlicht. Die Endung wechselt sich durch die weibliche Kadenz3 und die darauffolgende männliche Kadenz ab.
Im ersten Quartett werden die negativen Seiten des Menschen und die schmerzlichen Dinge im Leben aufgegriffen.
Das zweite Quartett beschäftigt sich mit der Sterblichkeit und Endlichkeit des Menschen.
Während sich das erste Terzett weiterhin auf die Endlichkeit und das Sterben des Menschens bezieht, wird im zweiten Terzett die Vergänglichkeit durch den Vanitas-Gedanken "memento mori" (denke daran, dass du sterben musst!) hervorgehoben.
Dieses Sonett zeichnet sich besonders durch seine vielen Metaphern4, Vergleiche und Anaphern5 aus, die die Unwichtigkeit der Menschen auf der Welt hervorheben sollen.
Zu Beginn des ersten Quartetts wird durch eine Aussage des lyrische Ichs, die als rhetorische Frage gesehen werden muss, die Menschheit angesprochen und zum Nachdenken animiert, was wir Menschen sind und wie wir uns verhalten.
Hierbei wird auch an die Moral jedes einzelnen appelliert. Durch die darauffolgende Metapher "Wohnhaus grimmer Schmerzen" (V.1) wird verdeutlicht, dass die Schmerzen jedem Menschen innewohnen, also ganz tief drinnen sitzen und sich genauso wie schlechte Mieter nicht aus dem "Wohnhaus", in dem Fall also aus dem Körper, vertreiben lassen.
Das "falsche Glück" in Vers 2 besagt, dass das Glück nicht echt ist, dass die Welt aus Lug und Betrug besteht. Durch diese Aussage wird einem bewusst, was für ein vom Grund auf schlechtes Weltbild Gryphius gehabt haben muss.
Dies zeigt abermals die Metapher "Irrlicht dieser Zeit" (V.2) Licht wird oft als letzte Rettung angesehen, wenn man in der Dunkelheit festsitzt und nicht mehr weiterweiß. Dann kommt von irgendwo ein Licht her, das einem weiterhilft, weshalb es meistens als positiv konnotiert gilt. In diesem Fall hingegen wird durch das Hinzufügen von "irren" genau das Gegenteil bewirkt, also eine negative Konnotation7. Diese Antithetik
(Gegensätzlichkeit) ist ein typisches Merkmal des Barock, das es genauso wie die im Sonett auftretenden Wörter "Angst", "Leid" (V.3), "verschmelzter Schnee", "abgebrannte Kerzen" (V.4) beschreibt, wie kurz jeder Augenblick und wie vergänglich das Leben ist. Außerdem werden durch diese Verse die Emotionen der Menschen zur Zeit des Barock gezeigt, die durch die durch den Krieg entstandenen Plagen und Schmerzen geprägt wurden. "Das Leben fleucht davon, wie ein Geschwätz und Scherzen" (V.5) ist ein Vergleich, der die Nichtigkeit der Menschen und die Vergänglichkeit widerspiegelt. Das negative Wort "fleuchen" benutzt man meist im Zusammenhang mit schädlichen Insekten oder anderen abschätzigen Tieren "Geschwätz und Scherzen" ist etwa, das nicht lange anhält und sehr schnell vergessen wird. Das lyrische Ich fürchtet sich demnach davor, nach seinem Tod in Vergessenheit zu geraten, da die Welt ja ohne es weitergeht und dass man so irgendwann vergessen wird, dass es je gelebt hat. Dies verdeutlicht auch das "Totenbuch der großen Sterblichkeit" (V.7). Wenn jeder nach seinem Tod in ein Buch eingetragen wird, gerät er nie in Vergessenheit.
"Find uns aus dem Sinn und Herzen" (V.8) besagt jedoch erstmal, dass die Verstorbenen in Vergessenheit geraten. Die Menschen auf Erden leben ihr Leben weiter und gedenken nicht mehr der Verstorbenen.
Im ersten Terzett benutzt Gryphius den Vergleich vom "eitel Traum" der "leicht aus der Acht hinfällt" it der Vergänglichkeit des Menschen, wobei wieder das Vanitas-Motiv "memento mori" zum Vorschein kommt. Der Traum kann wie eine Seifenblase vom einen auf den anderen Moment zerplatzen und alles ist vorbei. Genauso sieht das lyrische Ich das Leben. Es kann vom einen auf den anderen Moment zu Ende gehen, man weiß nie wann und anschließend ist alles vorbei und man existiert nicht mehr (zumindest geistig gesehen).
Diesen "memento mori" Gedanken (also denke daran, dass du sterben musst) verdeutlicht ebenfalls nochmal der fließende, mitreißende Strom, der unaufhaltsam ist und alles und jeden mitreißt (V.10).
Die Nichtigkeit des Menschen und die Vergänglichkeit spitzen sich weiter zu, indem die Anapher in den Versen 12-14 bewirkt, dass man, egal was man tut, bei allem den Hintergedanken hat, dass man eh irgendwann stirbt und deshalb sowieso alles umsonst ist.
"Was nach uns komme wird, wird uns ins Grab nachziehn" (V.13). Menschen werden geboren und sterben, das ist der Kreislauf des Lebens. Mit den Menschen, die ins Grab nachziehen, sind demnach die Nachfolgegenerationen gemeint, die das gleiche Schicksal wie das lyrische Ich erleiden und auch sterben müssen. der Tod ist also das erste, was das lyrische Ich mit dem Menschen in Verbindung bringt.
Der letzte Satz, verpackt als rhetorische Frage zeigt die Resignation des lyrischen Ichs, sowie die Vergänglichkeit und Endlichkeit des Menschen.
"Was sag ich? Wir vergehn wie Rauch von starken Winden" (V.14). Rauch ist von kurzer Dauer, also sehr schnell vergänglich und damit genauso schnell vorbei, wie das Leben.
Schon der Titel "Menschliches Elende" zeigt, wie negativ Gryphius gegenüber dem Menschen und dem Leben eingestellt ist. Er scheint nicht viel Gutes am Lebe zu finden, da selbst bei positiven Dingen, seiner Meinung nach, nur der Schein trüge. Es wird sehr eindringlich auf die Vergänglichkeit und Endlichkeit des Lebens eingegangen, was eventuell auch mit der Entstehungszeit zusammenhängt.
Das Gedicht entstand zur Zeit des Barock, die sehr durch den Vanitas-Gedanken (memento mori bzw. carpe diem) geprägt wurde.
Wahrscheinlich wird das Leben als so negativ und vergänglich angesehen, da die Menschen zur damaligen Zeit meist nicht älter als 30 bis 40 Jahre wurden. Besonders geprägt wurde der Barock durch den Dreißigjährigen Krieg, der im Land Not, Elend, Verwüstung und Leid hinterließ, wie man in diesem Sonett gut erkennen kann.
Andreas Gryphius schafft durch seine negative Konnotation eine pessimistische Weltanschauung und durch seine Betonung, die in jedem Vers auf der Vergänglichkeit liegt, wie viel Angst er davor hat, dass alles auf einmal zu schnell vorbei ist.
Außerdem hat er Angst davor, dass man sich nach seinem Tod nicht mehr an ihn erinnert und dass er in Vergessenheit gerät.