Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
Das Gedicht „ Die Stadt“ wurde 1913 von Alfred Lichtenstein Verfasst und gehört der Epoche des Expressionismus an. Es thematisiert die Großstadt und den Verfall. Das Gedicht bezieht sich auf die Zeit der Industrialisierung. Infolge der Urbanisierung entwickelten sich immer mehr Großstädte und es herrschten unmenschliche Zustände. Die Menschen waren unzufrieden und im Gegenzug dessen verfasste man solche Gedichte und übte somit Kritik an den derzeitigen Umständen.
Das Gedicht besteht aus vier Strophen mit jeweils drei Versen und einem verschränkten Reimschema (abc, abc).
In der ersten Strophe stellt er die Natur und die Stadt gegenüber mit Hilfe von Antithesen1. Der Himmel, den er mit einem weißen Vogel vergleicht steht für die Natur. („Ein weißer Vogel ist der große Himmel“) Hier assoziiert man die Farbe weiß mit Reinheit, Unschuld oder Frieden. Unter ihm ist die Stadt, mit vielen veralteten und zerstörten Häusern („...unter ihn geduckt stiert eine Stadt Die Häuser sind halbtote alte Leute“). Die Wörter „hart“ und „geduckt“ bilden ein Gegensatz zur freien Natur. Außerdem befindet sich im zweiten und im dritten Vers eine Personifikation2 („…stiert eine Stadt…Häuser sind halbtote alte Leute“) man könnte annehmen in den Häusern spiegeln sich die Umstände der Menschen wieder. Hier wird das Verfallmotiv besonders deutlich.
In der zweiten Strophe bezieht er sich auf die Tiere. Denn nicht nur den Menschen geht es schlecht auch die Tiere sind abgemagert („…dünner Droschkenschimmel… magre Hunde) und zum Beispiel der Droschkenschimmel, welcher Kutschen zieht wird durch die Modernisierung als Fortbewegungsmittel nutzlos. Die Menschen scheinen sich auch nicht um die Tiere zu kümmern, deshalb sind sie so abgemagert. Der Schimmel wird sozusagen ausgeschlossen, keiner beachtet ihn mehr. Dies könnte dafür stehen, dass die Menschen sich so fühlten, als wären sie nicht mehr in die Gesellschaft integriert. Es werden also hier deren schlechten Umstände deutlich. Auch hier kehrt das Verfallmotiv wieder. Im ersten Vers befindet sich eine Alliteration3, („Griesgrämig glotzt … dünner Droschkenschimmel“) die den Textfluss kurzzeitig stocken lässt. Die Winde im zweiten Vers sind wieder ein Symbol für die Natur. Man assoziiert den Wind als Dynamik und Leben, damit könnte das Stadtleben gemeint sein, welches sehr turbulent ist. Bei dem Wort „quietschen“ im dritten Vers denkt man eher an Maschinen statt an lebendige Wesen.
In der dritten Strophe geht es weniger um die Natur und die Stadt, sondern um die Gefühle der Menschen. Derjenige, der seine Gefühle offenbart und verzweifelt nach seiner Geliebten sucht wird als Irrer bezeichnet. („… ein Irrer: Du, ach, du – Wenn ich dich endlich, o Geliebte, fände…“) Da die Menschen ihre eigene Individualität verloren haben, wurden die meisten gefühlskalt. Sie wollten sich der Mehrheit anpassen, deshalb bezeichneten sie Leute die ihre Gefühle zeigten als Irre, weil dies nicht mit ihrer Uniformität übereinstimmte. Außerdem verspotteten sie ihn („Ein Haufen um ihn staunt und grinst voll Spott.“). Er wird somit zum Außenseiter. Die Menschen werden als „Haufen“ bezeichnet, sie werden also hier verdinglicht. Im ersten Vers befindet sich eine Alliteration („Straße stöhnt“).
In der dritten Strophe spielen „drei kleine Menschen Blindekuh“. Dieses Spiel verdeutlicht auch hier wieder, dass Menschen in dieser Gesellschaft ausgeschlossen werden, weil sie anders denken, denn derjenige, der die „blinde Kuh“ ist, hat eine Sonderstellung und grenzt sich so von den andern ab und wird von den anderen verspottet. Dies bezieht sich noch einmal auf die letzte Strophe, in der der Irre verspottet wurde. Andererseits könnte das Wort „Blind…“ auch dafür stehen, dass die Menschen ihren Blick für das Wahre verloren haben und sich der Modernisierung so hingeben wie sie ist, weil sie ihr Ich verloren haben und der Uniformität unterwürfig sind. Die „grauen Puderhände“ im zweiten Vers könnten für die starke Luftverschmutzung, wegen der Industrialisierung stehen. Denn die Städte wurden immer dreckiger durch den verrußten Staub in der Luft. Im letzten Vers bezieht der Dichter sich auf Gott, denn auch dieser ist nicht erfreut über die Umstände in der Gesellschaft („…verweinter Gott“). Das Adjektiv „sanft“ bildet einen Gegensatz zu den „hart“ im zweiten Vers der ersten Strophe.
In diesem Gedicht wird deutlich, dass es aus der Zeit des Expressionismus stammt, weil das typische Motiv Stadt wiederkehrt. Der Dichter übt Kritik an der Gesellschaft und an den Umständen in der Stadt. Außerdem verwendete er auch viele Personifikation. Somit kann man sagen dieses Gedicht stammt eindeutig aus dieser Zeit.