Inhaltsangabe, Gedicht-Analyse und Interpretation
Das Gedicht „Abendlied“ von Gottfried Keller hat die Vergänglichkeit des Menschen und den bewussten Umgang mit ihr zum Thema. Da es von Keller verfasst wurde, stammt es aus der Zeit des Realismus, in der sich jedoch auch romantische Elemente finden lassen.
Das Gedicht besteht aus vier Strophen, von denen jede jeweils vier Verse hat. Jeder Vers besteht aus neun Silben und das Metrum1 ist ein vierhebiger Jambus mit männlicher Kadenz2. Alle Strophen weisen einen sogenannten Haufenreim auf (aaaa, bbbb, etc.). Die vier Verse innerhalb einer Strophe reimen sich also alle. Diese Struktur, die am ehesten auf einen harmonischen Klang zielt, zeigt, dass es sich bei dem Gedicht um Stimmungslyrik handelt. Jedoch zeigt sich auch ein inhaltlicher Aufbau, der dem Schema der Gedankenlyrik entspricht. Eine strikte Zuordnung zu Gedanken- oder Stimmungslyrik ist bei diesem Gedicht also nicht möglich.
Inhaltlich zeigt das Gedicht insgesamt die Vergänglichkeit des Menschen in den ersten drei Strophen mit jeder Strophe deutlicher, bis das Gedicht in der letzten Strophe mit der Rückwendung zum Leben das Problem der Vergänglichkeit löst.
Im Kontrast zu dem bedrückenden Thema finden sich in dem Gedicht stimmungsvolle Bilder, wie dem des Falters (vgl. V. 12), oder dem Bild der Wanderschuhe (vgl. V. 7).
Besonders der Anfang vermittelt eine harmonische Stimmung durch die Verniedlichung „Fensterlein“ (V. 1) und das Adjektiv „lieben“ davor. Der Gedanke an den Tod kommt jedoch schon hier, in Vers vier, zum Vorschein. Die vorher noch als einfach und selbstverständlich funktionierend beschriebenen Augen werden sich irgendwann verdunkeln. Doch wie bereits erwähnt, bleibt der Eindruck durch die Struktur, vor allem durch das einheitliche Reimschema, harmonisch und beruhigend, dem Gedanken an den Tod zum Trotz.
Dies bleibt auch in den folgenden Strophen erhalten, in denen der Tod deutlicher genannt wird. Besonders in Vers sechs: „Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh“. Auch die Greifbarkeit und Alltäglichkeit der Bilder lässt weniger auf etwas Bedrohliches, Unbekanntes bei dem Tod denken, sondern vielmehr an etwas völlig Normales.
So zum Beispiel das Bild der Wanderschuhe (vgl. V. 7), das für das Ende der Seele steht, die sozusagen ihre irdische Reise beendet hat. Die letzte Strophe ist dann ein Zurückstellen des Todes, da dieser noch nicht eingetreten ist. Das Leben soll noch genossen werden, was sich in einem Appell an die sich zuvor noch verdunkelnden Augen zeigt, möglichst viel von der Welt aufzunehmen (vgl. V. 15-16).
Ein finaler Beleg für einen Aufbau im Sinne der Stimmungslyrik dieses Gedichtes ist der Titel „Abendlied“, da ein Lied besonders stark auf Klang ausgelegt ist, und weniger auf Inhalt.
Es geht Keller also darum, den Tod durch die stimmungsvolle Harmonie und den Einklang, den das Gedicht vermittelt, als nichtig abzutun. Der Tod wird also durch die Harmonie besiegt.