Inhaltsangabe, Analyse und Interpretation
I. Inhaltsangabe
In Erich Kästners "Der Blinde an der Mauer" wird ein blinder Mensch beschrieben, der an einer Mauer sitzt und wahrnimmt, wie die Menschen achtlos an ihm vorübergehen. Der Blinde geht gedanklich der Frage nach, warum sich niemand um ihn kümmert und er nicht beachtet wird.
Dem Blinden liegt es am Herzen, den Menschen mitzuteilen, dass er aufgrund seiner Blindheit für die anderen unsichtbar ist,
II. Äußere Form und sprachliche Mittel
Das Gedicht "Der Blinde an der Mauer" von Erich Kästner besteht aus 6 Strophen zu je 4 Versen und unterliegt dem Reimschema Kreuzreim. Das Metrum1 des Gedichts bezeichnet man als Trochäus. Kästner verwendet überwiegend kurze, vollständige Sätze. Die Erzählzeit "Präsenz" führt dazu, dass der Leser in das Geschehen mit eingebunden wird. In Vers 24 wird wörtliche Rede benutzt. Man findet Anaphern2 in den Versen 3 und 4 (müde).
Wiederholungen sind in den Versen 7 / 8 und Vers 24 zu erkennen ("Wer nichts sieht wird nicht gesehen"). In Vers 13 steckt eine Personifikation3. ("Euer Herz schickt keine Grüße").
Der Autor benutzt rhetorische Fragen (V 10 / 11: "Was das wohl für Menschen sind?, Warum bleibt denn niemand stehen).
3. Interpretation
Der Blinde fühlt sich von der Gesellschaft ausgeschlossen, denn "Wer nichts sieht wird nicht gesehen". Dies wird für ihn in der Achtlosigkeit der Menschen deutlich. Sie gehen einfach an ihm vorüber, ohne ihn zu beachten. Den Satz "Wer nichts sieht wird nicht gesehen" spricht er dann in Vers 24 auch aus. Er ist aufgrund physischer Defizite blind, die Passanten aber sind für ihn aufgrund kognitiver, sozialer sowie emotionaler Defizite blind - sie wollen ihn nicht sehen.
Keiner möchte das Schicksal des Blinden mit ihm teilen, obgleich er es ihnen doch so gerne mitteilen möchte.
Den Mitgliedern unserer schnelllebigen und technisierten Gesellschaft fehlt wieder einmal die Zeit. "Und nun geht, ihr habt ja Eile") Vielleicht auch, weil der Blinde eben nicht der Norm entspricht.
Denn:
Niemand hat Zeit für Menschen, die alt, krank oder eben einfach "anders" sind. Sie passen nicht in unser Lebensumfeld und schon gar nicht ins Stadtbild. Außerdem würde die Auseinandersetzung mit Menschen, die "anders" sind auch bedeuten, sich mit ihnen und ihren Problemen auseinandersetzen und Empathie zu zeigen.
Dies zeigt auf, wie "blind" unsere Gesellschaft für die Gefühlswelt von Menschen mit Behinderungen ist.
Die Blindheit steht in diesem Gedicht also als Metapher5; nicht nur für den Blinden. Sie steht stellvertretend für alle Probleme, an welchen wir achtlos und "blind" vorbei schauen.